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Verwechseljahre: Roman (German Edition)

Verwechseljahre: Roman (German Edition)

Titel: Verwechseljahre: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hera Lind
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Manni, der selbst noch keuchte. Er reichte mir die Wasserflasche. »Geht mich ja nichts an, aber ist alles okay?«
    »Ich habe im Moment ein paar Probleme«, stieß ich keuchend hervor und setzte die Flasche an den Mund.
    »Wer hat die nicht?«, sagte Manni und musterte mich schräg von der Seite an. »Willst du darüber reden?« (Er sagte nicht »magst du« und auch nicht »ein Stück weit«. Cool!)
    Ich schilderte ihm in knappen Sätzen, was mit meiner Mutter los war und dass ich auf diese Weise jemanden an der Backe hatte, den ich gar nicht wollte.
    »Der belegt hier gerade jeden Kurs, nur damit er in meiner Nähe sein kann.«
    »Das kann ich gut nachvollziehen«, versicherte mir Manni. »Ich habe ein ganz ähnliches Problem. Und das ist beileibe nicht das einzige.«
    O Gott. Auf einmal spürte ich doch tatsächlich so etwas wie – nein, nicht Liebe, aber eine Art Seelenverwandtschaft. Und hatte das Bedürfnis, ihm von Oliver zu erzählen. Ich saß auf einem Hüpfball mit Ohren, auf dem Kinder ihre Aggressionen austoben sollen, und die Worte strömten nur so aus mir heraus: Erst der Anruf aus Hamburg. Dann der Unfall meiner Mutter. Rainers massives Eindringen in mein Leben. Meine Versuche, Roman zu erreichen. Sein Verschwinden. Meine Ungewissheit.
    Komisch. Meinen eigenen Freundinnen hatte ich das nicht erzählen können, weil sich einfach keine Gelegenheit ergeben hatte. Aber diesem jungen Mann vertraute ich mich an. Erst hatte ich ihn verdroschen, und nun drängte ich ihm meine Geschichte auf. Beides tat unheimlich gut.
    »Kannst du verstehen, warum er gar nicht wissen wollte, warum ich ihn damals weggegeben habe?« Ich sah Manni verunsichert an. »Ich meine, das fragt doch jedes zur Adoption freigegebene Kind als Erstes!«
    Er zuckte mit den Schultern. »Keine Ahnung. Ist das so?«
    »Ja! Das habe ich zumindest gelesen!«
    »Und? Warum hast du es getan?« Manni trank einen Schluck aus der Flasche.
    Ich erzählte ihm von Alessandro Bigotti. Von Mutters Krank heit. Von meiner Panik, uns nicht durchzukriegen. Von der kirch lichen Einrichtung, in der Oliver geboren worden war, und von Schwester Mathilde, die eines Tages kam und ihn mir wegnahm. Von meiner Überzeugung, dass es nur vorübergehend sei, und von meiner Ohnmacht, als ich mir Oliver wiederholen wollte.
    Meine Augen schwammen in Tränen. »Und da war es zu spät! Ich habe ihn nie wiedergesehen!«
    Manni starrte mich an. »Von dieser Warte aus hat er das bestimmt noch nie betrachtet.«
    »Nein! Ich warte verzweifelt auf eine Gelegenheit, es ihm zu sagen!«
    »Aber er hat sich doch gemeldet?«, sagte Manni.
    »Und ist wieder verschwunden!«
    »Bist du ihm deshalb böse?«
    »Nein, er macht doch nur seinen Job! Aber ich könnte wahnsinnig werden vor Ungeduld!«
    »Und wenn er ganz anders ist, als du dir das vorstellst?« Wir tranken inzwischen aus derselben Wasserflasche und reichten sie hin und her.
    »Mir ist egal, wie er ist«, brach es aus mir heraus. »Ich will nur endlich die Chance haben, ihm alles zu erklären!«
    Manni nickte bedächtig. »Die wird sich bestimmt bald ergeben!« Er sprang auf und reichte mir die Hand. »Danke für dein Vertrauen.«
    »Danke, dass du mir zugehört hast«, sagte ich lahm. »Bestimmt stehle ich dir nur kostbare Zeit.«
    »Besser so, als wenn du noch weiter auf mich eingedroschen hättest!«, sagte Manni grinsend und rieb sich die Schulter. Er räumte die Flasche weg und zog ein Kleenex aus der Packung.
    Ich starrte auf seinen Rücken. »Soll ich dir mal was sagen?«
    »Was denn?« Manni säuberte den Boxsack mit einem Desinfektionsmittel.
    »Ich wünschte, Roman wäre dir ähnlich.«
    Manni fuhr herum und kratzte sich verlegen am Kopf. Er zog sich das Schweißband vom Kopf und strich sich mit einer fahrigen Geste durch die Haare.
    »Danke für die Blumen.« Er blinzelte nervös und fasste sich ans Auge. »Ich glaube, ich habe eine Kontaktlinse verloren …«
    Wir suchten die Kontaktlinse auf dem Boden, und unsere Hände berührten sich wie in der berühmten Kennenlernszene von Rodolfo und Mimì aus La Bohème. Nur, dass Manni jetzt nicht anfing zu singen: »Wie eiskalt ist dies Händchen«.
    Stattdessen sagte er, sich aufrichtend: »Carin, darf ich dich meinerseits um Hilfe bitten?« Er wandte sich ab und setzte die wiedergefundene Kontaktlinse wieder ein.
    Ich ahnte, was jetzt kam. »Was kann ich für dich tun?«
    »Deine Freundin Sonja scheint da was misszuverstehen …« Er wirbelte herum. »Ich mag Vivian nämlich

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