Verwechslungsspiel in Griechenland
leichter zu ertragen gewesen. Jede zärtliche Berührung machte Ria schmerzlich bewusst, dass ihr etwas verloren gegangen war, noch bevor sie es wirklich gefunden hatte.
Sofort trat er einen Schritt zurück, und seine Miene wurde hart. “Nettes kleines Haus, nicht wahr? Hier können sie ungestört streiten.”
Die zynische Bemerkung verletzte sie, was er vermutlich beabsichtigt hatte. “Kann dich denn gar nichts rühren?”, fragte sie traurig. “Auch wenn sie ab und zu Streit haben sollten, werden sie trotzdem glücklich sein. Wünschst du dir keine Frau, keine Kinder, mit denen du alles teilen kannst?”
Ganz kurz leuchtete etwas in seinen blauen Augen auf, dann schob er Ria vor sich ins Haus. “Komm, geh zu den anderen.”
Poppy und Nikos waren von dem Haus begeistert. Es war erst vor Kurzem renoviert worden und besaß eine kleine, aber kompakte und modern ausgestattete Küche und ein schönes hellgekacheltes Bad. Eine schmale, steile Treppe führte zu zwei großen Schlafzimmern im ersten Stock, eins mit einem eingebauten Bett auf einer erhöhten Plattform. Vom Wohnzimmer im Erdgeschoss führten Glastüren in den kleinen Garten, wo Blumen und niedrige Sträucher in handbemalten Töpfen wuchsen. Insgesamt machte das Haus einen eleganten, aber auch fröhlichen Eindruck.
“Gefällt es euch?”, fragte Dimitrios.
“Es ist wundervoll!”, erklärte Poppy unsicher, und Nikos nickte bestätigend.
“Dann gehe ich jetzt die Einzelheiten klären.” Dimitrios drehte sich um, verließ das Haus und ging über die staubige Straße auf eins der nahe gelegenen weißgestrichenen Häuser zu.
“Du hast seine Gefühle verletzt!”, warf Nikos seiner Verlobten ungewöhnlich kühl vor.
“Sei nicht albern!” Hilfe suchend schaute Poppy Ria an. “Er hat gar keine Gefühle.”
“Poppy!”, fuhr Nikos sie an und sah plötzlich seinem Onkel sehr ähnlich. Poppys Augen füllten sich mit Tränen, doch Nikos bemerkte es nicht. Er war zur Tür gegangen und schaute seinem Onkel nach, der sich mit einer kleinen schwarz gekleideten alten Frau unterhielt. “Ihr wisst nichts über ihn. Er ist wie eine Auster. Die Schale ist hart, aber das Innere weich, und mitten drin ist eine Perle versteckt.”
Poppy lachte ungläubig auf. “Na komm, Nikos. Wo war denn sein weiches Herz bei dem Gespräch gestern Vormittag? So wie er hat noch nie jemand mit mir geredet!”
“Dann wurde es vielleicht höchste Zeit!”, rutschte es Ria unwillkürlich heraus. Wütend funkelte Poppy sie an.
Nikos drehte sich zu ihnen um. “Er tut so viel für die Menschen im Dorf!” Er wandte sich direkt an Ria. “Er hat eine Apotheke gebaut und bezahlt einen Arzt aus dem Krankenhaus in Marphos dafür, dass er dreimal pro Woche im Dorf Sprechstunde hält. In jedem Haus hat er ein Bad einbauen lassen …”
“Mich musst du nicht überzeugen”, unterbrach Ria ihn sanft. “Ich bin nicht sein Feind.”
Nikos schüttelte den Kopf. “Nein, hör mir zu. Ich möchte, dass du ihn verstehst.”
Poppy schnaubte verächtlich. Nikos warf ihr einen vernichtenden Blick zu, fasste Ria am Arm und führte sie in den Hof hinaus. Durchs offene Tor beobachteten sie, wie Dimitrios hinter der alten Frau das weiße Haus betrat.
Nikos setzte sich neben Ria auf eine kleine Holzbank dicht an der Gartenmauer. “Weißt du, warum wir so viele Hunde haben?” Überrascht schaute Ria ihn an. Was hatten die Hunde damit zu tun?
“Sonst gibt es hier nur ein paar halb verhungerte Mischlinge. Griechische Familien halten nur selten Haustiere. Vor mehreren Jahren, als ich noch zur Schule ging, hat sich jedoch eine alte, exzentrische Französin hier in der Gegend niedergelassen. Sie hatte das ganze Haus voll Katzen und Hunde. Nach ihrem Tod haben ihre Verwandten das Haus verkauft, ohne sich um die Tiere zu kümmern. Sie sind verwildert und haben von Abfällen gelebt, bis einer der Hunde überfahren wurde. Dann hat mein Onkel davon erfahren. Er ist hingefahren, hat möglichst viele von den Tieren eingefangen und mit nach Hause genommen.”
Lächelnd verzog Nikos das Gesicht. “Meine Mutter war außer sich. Allmählich hat sie sich jedoch an die Tiere gewöhnt. Jetzt beschwert sie sich höchstens, wenn eine der Katzen ihr eine tote Maus aufs Bett legt.” Ria schauderte. “Einmal hat sie Dimitrios gefragt, warum er das getan habe. Weißt du, was er geantwortet hat? Dass man kein Lebewesen je verloren geben sollte.”
Ria fand keine Antwort. Der Sinn dieser Worte berührte sie
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