Verwechslungsspiel in Griechenland
verabschieden. An der Beifahrertür blieb er jedoch stehen.
“Steig einen Augenblick aus.” Er reichte ihr eine Hand, half ihr von dem hohen Sitz herunter und führte sie hinter den Landrover, wo die Wachen sie nicht sehen konnten.
Fragend sah Ria zu ihm auf. Der Wind wehte ihr das Haar ins Gesicht. Sie reichte Dimitrios gerade bis zur Schulter.
“Ich werde eine Woche weg sein”, wiederholte er brüsk, während sie sich schweigend in die Augen sahen, dann bückte er sich, stellte den Aktenkoffer auf dem sandigen Boden ab und umarmte sie. “Ich habe kein Recht auf dich. Überhaupt kein Recht.” Er küsste sie auf den Mund, erst sanft, dann, als sie die Lippen öffnete, immer inniger. Er hielt sie fest, aber sanft umschlungen, und sie nahm den berauschenden Duft seiner Haut war. Sie fühlte sich vollkommen sicher und geborgen.
Als sie sich auf die Zehenspitzen stellte, um ihm die Arme um den Nacken zu legen, hob er sie plötzlich hoch und drückte sie fest an sich. “Ich könnte dich auffressen!”, sagte er rau. “Weißt du überhaupt, was du mir antust?”
Nur ruhig Blut!, flüsterte eine Stimme in ihrem Innern. Sei vorsichtig, Mädchen. Erst vorgestern wollte er nichts mehr von dir wissen. Das ist mir egal!, antwortete Ria wild. Ich will nehmen, was er mir zu geben hat. Was kümmert mich die Zukunft?
Hinter ihnen hüstelte jemand diskret. Widerstrebend setzte Dimitrios Ria ab. “Pass gut auf Christina auf.” Er hob den Aktenkoffer auf, küsste Ria auf die Wange und trat durchs Tor, ohne sich noch einmal umzuschauen.
Ria sah ihm lange nach. Ihre Kehle fühlte sich wie zugeschnürt an. Er hatte nichts versprochen, wahrscheinlich würde er es auch nie tun, und trotzdem wusste Ria ohne jeden Zweifel, dass sie bei ihm bleiben würde, bis er sie endgültig wegschickte.
Die nächsten Tage vergingen wie im Flug. Es gab viel zu tun, und nach zwei Tagen sah Christina schon so blass und schwach aus, dass Ria sich Sorgen zu machen begann. Sie hatte nicht vergessen, was sie Dimitrios versprochen hatte. Schließlich überredete sie Christina, von nun an im Bett zu bleiben. “Du kannst deine Anordnungen auch von dort aus geben”, erklärte sie ihr. “Außerdem brauchen wir jemand, der den Überblick behält.”
Nachdem für Christina gesorgt war, stürzte Ria sich förmlich in die Arbeit. Wenigstens konnte sie so den Schmerz über Dimitrios’ Abwesenheit betäuben. Wenn sie spätabends ins Bett sank, war sie zum Grübeln viel zu erschöpft.
Am dritten Tag rief Dimitrios am späten Nachmittag Christina an, während Ria gerade ausnahmsweise Pause machte und ein Glas Wein mit ihr trank. Die letzten Strahlen der Abendsonne tauchten das Zimmer in goldenes Licht.
Eine Zeit lang unterhielten die Geschwister sich auf Griechisch. Einmal hörte Ria, wie Christina ihren Namen erwähnte. Gleich danach legte sie auf.
“Was habe ich nun wieder angestellt?”, fragte Ria scherzhaft, aber auch besorgt.
Christina zuckte nur die Schultern und schien nicht antworten zu wollen.
“Hast du ihm erzählt, dass ich bei dir bin?” Als Christina widerstrebend nickte, zog sich Rias Herz schmerzlich zusammen. Er hatte also nicht eine Minute Zeit für sie erübrigen können. Wahrscheinlich dachte er kaum an sie. Aus den Augen, aus dem Sinn.
“Er war nicht allein, meine Liebe”, versuchte Christina sie zu trösten. “Deshalb konnte er nicht frei sprechen.”
Ria nickte und versuchte, sich zusammenzunehmen. Sie wollte nicht, dass Christina sich Sorgen um sie machte. “Er hat bestimmt sehr viel zu tun.” Zu ihrer Überraschung klang ihre Stimme fast wie immer.
Erleichtert stimmte Christina ihr zu, und dann redeten sie nicht mehr darüber. Doch so sehr Ria den Vorfall zu vergessen suchte, eine Spur von Unsicherheit blieb.
Eine Woche nach Dimitrios’ Abreise begann Poppy Schwierigkeiten zu machen. Die Schwangerschaft führte dazu, dass sie sich oft unwohl fühlte, und das ließ sie bissig und reizbar werden. Ria war mehr als einmal kurz davor, sie anzuschreien, und gegen Ende des Tages begann selbst Nikos die Geduld zu verlieren.
Vor dem Abendessen saßen sie alle auf der Veranda und tranken eisgekühlten Fruchtsaft. Nicht weit entfernt lagen die Hunde auf dem Boden. Seit Dimitrios verreist war, waren sie nur noch halb so munter wie sonst, und Ria konnte sie gut verstehen.
“Kommt, wir gehen mit den Hunden unten am Hafen spazieren”, schlug Nikos vor. “Das wird uns allen gut tun.”
“Geht nur”, stimmte Christina
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