Verwegene Herzen (German Edition)
leblos, so hätten Eure Lippen auf meiner Brust mich ins Leben zurückgeholt.“
Eine glühende Flamme schien ihren Körper zu durchzucken. Behutsam berührte er ihre Lippen mit seinem Mund, bedeckte sie mit den zartesten Küssen. Wieder und wieder. Dann nahm er die Hand von ihrem Kinn und umfasste ihren Hinterkopf, grub seine Finger in ihr Haar, hielt sie fest.
Dieser Mann raubte ihr die Sinne. Sie hasste ihn dafür.
Auch wenn sie entschlossen jedes Gefühl von Scham zu unterdrücken suchte, spürte sie doch, wie Reue in ihr aufstieg. Sie war im Wald, auf der Suche nach ihrer verschwundenen Schwester – und all das nur seinetwegen. Sie hatte kein Recht, Vergnügen in seinen Armen zu empfangen, kein Recht, ihn immer noch zu begehren. Ihr Verlangen war ebenso selbstsüchtig wie Adas Betrug, vielleicht sogar noch mehr, und das Gefühl, sich nicht loyal verhalten zu haben, quälte sie.
Ein plötzlicher Hass auf Will Scarlet gesellte sich zu ihrem Zorn auf sich selbst. Er machte sie verletzbar, schwach, und sie verabscheute nichts mehr als ihre Schwäche.
Um die Oberhand zu behalten, küsste Meg ihn leidenschaftlicher. Sie löste ihren Geist von dem körperlichen Akt des Kusses, wie sie es bei Hendon getan hatte. Und genau wie jener ergab Scarlet sich ihrer Aufforderung. Entspannt lehnte er sich gegen sie. Seine Zunge verlockte sie, doch sie blieb stark, verweigerte ihrem Körper und ihrem einsamen Herzen das Vergnügen, nach dem sie verlangten.
Dann löste sie sich von ihm und strich mit einer Hand über seine Wange, ohne darauf zu achten, wie sehr sie zitterte. „Ich will Eure Schulter untersuchen“, sagte sie. „Vermutlich habt Ihr alles zunichte gemacht, was wir mit der Lauge erreicht hatten. Könnt Ihr erkennen, wie es aussieht?“
Er seufzte schwer. „Lasst mich erst das Feuer anfachen.“
Als das behagliche Knistern der Flammen ihr kleines Versteck erfüllte, fügte sich Scarlet ihrem Wunsch. Sie löste den Verband, und er zuckte zusammen.
„Wie sieht es aus?“
„Wund. Ziemlich unregelmäßiger Rand“, entgegnete er. Trotz seiner sachlichen Einschätzung klang seine Stimme unsicher. „Aber es ist kein frisches Blut zu sehen.“
„Gut. Welche Farbe hat die Wunde?“
„Ihr kennt Farben?“
Sie schwieg, während ihr Herz wie rasend schlug. So nahe, wie er ihr war, hörte er vermutlich das Klopfen so deutlich, als würden Hufe über ein Straßenpflaster klappern. „Ich habe Farben gekannt, so wie ich jetzt ihre Abwesenheit kenne. Die Farbe Scharlach, zum Beispiel.“
„Die Wunde ist rot“, sagte er nach einer Pause. „Keine Zeichen für Eiter oder Entzündungen.“ Er strich ihr eine Strähne aus dem Gesicht, und sie zuckte bei dieser fast zärtlichen Geste zusammen. „Ihr seid seltsam.“
„Und Ihr könnt es Euch nicht leisten, wählerisch zu sein.“ Sie umwickelte den tiefen Schnitt mit einem weiteren Streifen ihres Unterkleides, darum bemüht, die Hände ruhig zu halten. „Aber wenn Ihr einen anderen Heiler kennt, der sich um Euch kümmern kann …“
Er legte die gesunde Hand auf ihre und drückte ein wenig. „Ich danke Euch, Meg.“
Aufhören!
Während sie ihren Patienten nötigte, sich hinzulegen, berührte sie die scharfen Züge seines Gesichts. Die beschwerliche Reise zurück nach Broughton erschien ihr wie ein bevorstehender Albtraum. Und dann Ada? Die Vorstellung, aufs Neue die Suche zu beginnen, diesmal ohne den Earl, bedrückte sie.
Was auch immer die Zukunft bringen mochte, musste sie dennoch so bald wie möglich von Will Scarlets verstörendem Einfluss freikommen. Aber während der wenigen Momente, die ihr noch blieben, gestattete sie sich das kleine Vergnügen, sich seine Züge einzuprägen. Vor ihr lag endlose Einsamkeit, länger und kälter als all die Jahre, die seit ihrer Erkrankung vergangen waren. Der gierige Teil von ihr, der sich Scarlet als Liebhaber erwählt hatte, verlangte noch ein paar verbotene Erinnerungen mehr, um sie zu hüten angesichts der finsteren Zukunft, die ihr bevorstand.
Seine Brauen hoben sich über geschlossenen Augen. Sein Atem wurde gleichmäßiger und langsamer, die vollen Lippen entspannten sich. Meg beugte sich über ihn, küsste ihn ein letztes Mal.
Dann machte sie sich daran, Eisenhut zu verarbeiten.
Das Morgengrauen im Wald war schon abschreckend genug, auch wenn man nicht neben einem fast erloschenen Feuer erwachte. Will erschauerte. Von der Taille an aufwärts war er nackt, abgesehen von einem Verband über der verletzten
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