Verwegene Herzen (German Edition)
versteckt.“
„Dann solltest du das Schwert nehmen, oder nicht, Will?“
„Nimm du nur meinen Arm und halte das Schwert gut fest.“ Seine Stimme klang gepresst.
Als Meg behutsam seine linke Hand ergriff, stöhnte er auf. Mit zitternden Fingern ertastete sie die Verletzung. Sein Daumen stand in einem unnatürlichen Winkel ab. Sein Handgelenk war geschwollen und blutverschmiert, die aufgerissene Haut pochte und fühlte sich unnatürlich heiß an.
„Was ist passiert?“
„Ich habe mich von den Fesseln befreit.“ Er ließ die Kette klirren, die noch an seiner anderen Hand hing. „Zur Hälfte jedenfalls.“
Ihr Magen rebellierte, zum Teil von den schrecklichen Bildern, die er heraufbeschwor, zum Teil von dem Gestank des Abwassers. „Und deswegen kannst du nicht ein Schwert und eine Fackel gleichzeitig halten?“
„Mit dieser Hand kann ich überhaupt nichts halten“, entgegnete er. „Wenn ich all das hinter mir habe, dann brauche ich eine schöne lange Ruhepause.“
„Und ich werde dir dabei Gesellschaft leisten.“
Die Worte waren heraus, ehe sie darüber nachdenken konnte, ehe Überlegung oder Stolz sie verhindern konnten. Hinter ihrer Furcht flackerten Kühnheit und Verletzlichkeit auf.
Er wandte den Kopf, und sie spürte seinen Atem an ihrem Ohr. „Tatsächlich? Du willst davon Abstand nehmen, gegen mich zu kämpfen oder mich zu vergiften …“
„… oder dich an einen Baum zu fesseln“, fügte sie hinzu und konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen. „Ja. Ich werde davon Abstand nehmen.“
„Dann ja. Leiste mir Gesellschaft.“ Er drückte ihre Hand, es war ein Versprechen.„Nachdem wir uns lange ausgeruht haben, kannst du meine Verletzungen behandeln.“
„Und ein Bad nehmen.“
„Oh ja.“
Die Fackel in seiner Hand war nahezu heruntergebrannt und spendete kaum noch Licht. Ihn schmerzte der Rücken von dem gebeugten Gehen im Tunnel, ein dunkler Ort, an dem es verfault roch. Nirgends sonst außerhalb der Hölle konnte es einen Ort geben, der übler roch. Sie sprachen wenig und atmeten durch den Mund. Meg ging still hinter ihm.
Zumindest folgte ihnen niemand. Möglicherweise warteten hundert Soldaten und zehn Mal so viele aufgebrachte Bauern dort, wo der Tunnel in den Trent mündete, aber für den Augenblick waren sie in Sicherheit.
Will hörte das Rauschen des Flusses lange bevor er ihn sehen konnte. „Jetzt ist es nicht mehr weit. Schaffst du das?“
„Wenn du den Wald erträgst, dann ertrage ich den Fluss.“
„Das klingt nicht gerade beruhigend.“
Megs Zittern übertrug sich auf ihn. „Warum magst du die Wälder nicht?“
„Soll das wieder zu einem Streit führen? Dazu habe ich nicht die Kraft.“
„Nein, wirklich nicht. Ich – du machst mich neugierig.“
Vielleicht lag es an seiner Erschöpfung, dass er den Wunsch verspürte, ehrlich zu sein. Vielleicht lag es daran, dass sie einander immer näher kamen. Aber die Worte kamen ihm leicht über die Lippen, ohne dass er den Wunsch verspürt hätte zu schweigen. „Als meine Mutter schwanger wurde, entführte mein Vater sie aus Loxley Manor. Mein Vater war ein Taugenichts, der sich weigerte, sie zu heiraten. Sie hasste es, in unserem kleinen Walddorf zu wohnen, und ich wuchs auf mit Geschichten über die Privilegien, die sie einst genossen hatte und von denen sie mir verbittert erzählte.“
Der Tunnel führte nun abwärts. Das Abwasser ergoss sich in den Fluss und erschwerte es ihnen zu gehen. Die Strömung zerrte an seinen Füßen. „Als ich zwölf war, habe ich ihren Liebhaber umgebracht. Er hätte sie sonst totgeschlagen. Statt mich dem Gesetz zu stellen, floh ich nach Sherwood und lebte monatelang im Verborgenen.“
„Allein?“
Fast erdrückt von den Erinnerungen und der schlechten Luft, rang Will nach Atem. „Ja, bis ich Robin und seine Männer fand. Wir erfuhren erst nach Wochen, dass wir verwandt waren; danach hat Robin es sich zur Aufgabe gemacht, mich aufzuziehen. Ich wurde leicht wütend und wollte nichts davon wissen.“
Er rutschte aus, und sein Herz schlug schneller. Meg ließ ihn nicht los und schaffte es mit der Stärke ihres schlanken Körpers, ihn zu stützen.
„Wenn du fällst, falle ich auch“, sagte sie und rang nach Luft. „Also versuche, dich auf den Füßen zu halten.“
„Aber wenn wir in den Fluss rutschen, dann bekommen wir unser Bad.“
„Wenn du möchtest, gebe ich dir einen Schubs.“
Er grinste. Es blieb ihm nichts anderes übrig als zu lächeln, sonst würde er
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