Verwesung
sagte Terry, der wieder durch das Fernglas starrte.
Ungefähr einen Kilometer entfernt raste eine Reihe Autos und Transporter über eine andere Straße in die Richtung, die der Hubschrauber genommen hatte. Terry brummte zufrieden.
«Die wären wir los.» Er schaute auf seine Uhr. «Na gut. Das Original müsste gleich hier sein.»
Es hatte zwei Tage gedauert, bis der notwendige Papierkram und alle Vorbereitungen für Monks zeitweilige Entlassung fertig waren. Ich hatte die meiste Zeit im gerichtsmedizinischen Institut verbracht. Nachdem die Leiche von der dicken Torfschicht gereinigt worden war, wurde das Ausmaß der schrecklichen Verletzungen der jungen Frau erst ganz sichtbar. Es schien keinen Teil des Skelettes zu geben, der nicht beschädigt war. An manchen Stellen hielten nur noch die zerfallenden Sehnen und das verwesende Gewebe die Knochen zusammen. Die Verletzungen sahen aus, als wären sie durch einen Autounfall verursacht und nicht von einem Menschen zugefügt worden.
«Bei der Autopsie konnte keine eindeutige Todesursache ermittelt werden», berichtete mir Pirie völlig gelassen. «Es gibt eine Reihe von Verletzungen, die tödlich gewesen sein könnten. Viele innere Organe und eine Menge Gewebe wurden zerfetzt, das Zungenbein ist gebrochen, außerdem weisen mehrere Halswirbel Frakturen auf, die mit ziemlicher Sicherheit zum Tode geführt hätten. Das Gleiche trifft auf die Verletzungen des Thorax zu, die zersplitterten Rippen haben das Herz und die Lunge durchstoßen. Im Grunde sind die Verletzungen, die diese junge Dame erlitten hat, so schwerwiegend, dass schon allein der Schock sie umgebracht haben könnte.»
Junge Dame
klang seltsam altmodisch. Aus irgendeinem Grund wurde mir der alte Gerichtsmediziner dadurch sympathischer. «Aber …?», ich zögerte.
Ich wurde mit einem dünnen Lächeln belohnt. «Wie ich bereits gestern sagte: Skeletttraumata sind eher Ihr Bereich als meiner, Dr. Hunter. Ich kann Strangulation nicht ausschließen, doch die Schläge auf ihren Kopf waren so heftig, dass die Halswirbel und das Zungenbein wahrscheinlich sowieso gebrochen wären. Der Täter muss wie wild um sich geschlagen haben.»
«Wie schätzen Sie diese Verletzungen im Vergleich zu denen von Angela Carson ein?»
Mir war erst am Morgen eine Kopie des Autopsieberichtes gegeben worden. Zwar hatte ich noch keine Zeit gehabt, ihn vollständig zu lesen, aber die Ähnlichkeiten ihrer Verletzungen erschienen deutlich.
«Das Gewebe war leider zu beschädigt, um irgendwelche Anzeichen auf ein Sexualverbrechen festzustellen. Ich hatte gehofft, dass es durch den Torf gut konserviert worden wäre,aber die Schwere der Verletzungen und das flache Grab haben gegen uns gearbeitet. Schade.» Er schniefte bedauernd. «Außerdem hat Angela Carson hauptsächlich Gesichts- und Kopfverletzungen erlitten, allerdings keine so schwerwiegenden wie in diesem Fall. Doch soweit ich weiß, ist Monk bei Carson von der Polizei gestört worden, was vielleicht erklärt, warum die Verletzungen in diesem Fall wesentlich … ausgeprägter sind.»
Das waren sie tatsächlich. Auf dem matten, silbernen Untersuchungstisch wirkte die Leiche kaum mehr menschlich. Die Vorderseite des Schädels war eingeschlagen wie ein fallengelassenes Ei, die verbliebene Haut und das Gewebe des Gesichts waren in die Knochensplitter der Wangen und der Nasenhöhle gedrückt worden.
«Ich glaube, für Psychologen ist eine solche Entstellung des Gesichts ein Ausdruck von Schuldgefühl. Der Mörder will den anklagenden Blick des Opfers ausradieren. So lautet doch die gängige Erklärung, oder?»
«Ja, so ungefähr», stimmte ich zu. «Aber ich kann mir nicht vorstellen, dass Monk ein Typ ist, der Reue zeigt.»
«Eher nicht. Dann hat er entweder ein wahrlich furchteinflößendes Naturell, oder er verunstaltet seine Opfer aus Vergnügen.» Er schaute mich über den Rand seiner Lesebrille hinweg an. «Ich bin mir nicht sicher, was ich beunruhigender finde.»
Mir ging es genauso. Schon ein Bruchteil der angewendeten Gewalt wäre tödlich gewesen. Der Täter hatte sie nicht einfach erschlagen, er hatte sie regelrecht zerstampft. Es war buchstäblich ein Overkill.
Ich hatte erwartet, dass der Gerichtsmediziner mich mit einem Assistenten allein lassen würde, doch er blieb, um mirbei der unangenehmen Säuberung der Überreste zu helfen. Zuerst trennte er das Gewebe ab, dann half er mir, das Skelett auseinanderzunehmen, damit es in Lösungsmittel eingelegt
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