Verwuenscht und zugenaeht
bleibt.
Meine unbeschriebene Tafel, denn ich fange noch einmal von vorn an.
Ich reiÃe ein Blatt aus meinem Notizblock und schreibe eine kurze Erklärung dazu. Dann klemme ich den Zettel an das Foto und das weiÃe Fotopapier und werfe alles in den vorgesehenen Kasten.
Jetzt beginnt mein Neuanfang.
N ach dem Fotokurs schleppe ich mich zur Turnhalle. Heute findet eine obligatorische Schulversammlung anlässlich der Homecoming-Feierlichkeiten statt. Ich hasse diese Veranstaltungen, aber ich zwinge mich dazu, neutral zu bleiben.
Neuanfang, Neuanfang, Neuanfang!
Kayla McHenry wird nicht auf der Tribüne hocken und die Cheerleader anblöken. Nicht heute! Heute werde ich wie alle Schüler am Rand sitzen, mich darüber freuen, dass der Unterricht ausfällt, und einen netten Freitagnachmittag genieÃen. Egal, wie oft ich »Vorwärts, Team!« jubeln muss, ich werde mich wie alle anderen verhalten.
Vielleicht sollte ich mir meinen Neuanfang doch lieber für Montag aufheben und es langsamer angehen lassen? Wenn ich schon heute damit beginne, wäre das mehr als ein groÃer Schritt für die Menschheit. Es wäre geradezu heldenhaft. AuÃerdem ist am Montag der ganze Spuk mit den Wünschen vorbei.
Nein, nein! Ich weigere mich, es aufzuschieben.
Mein Neuanfang beginnt jetzt! Ich schwöre!
Ich bin ziemlich froh, dass die letzten beiden Wünsche am Wochenende in Erfüllung gehen werden. Mit etwas Glück kann ich mich einfach in meinem Zimmer verkriechen und darauf warten, dass das alles ein Ende hat. Wenn die Wünsche erst vorbei sind, werde ich ganz ernsthaft daran arbeiten, mein Leben wieder in den Griff zu bekommen und den Schaden zu beheben, den sie angerichtet haben.
Die hölzerne Tribüne mit den Sitzbänken knarrt unter meinen FüÃen. Einige meiner Klassenkameraden weichen meinem Blick aus und wollen ganz offensichtlich nicht, dass ich in ihrer Nähe sitze. Sie hoffen wahrscheinlich, dass ich sie nicht anblöke. Sie wissen ja nichts von meinem guten Vorsatz.
Mir war noch nie wirklich bewusst, wie die anderen mich wahrnehmen und dass ich dieses Bild sogar selbst von mir entworfen habe. Es ist, als hätte ich mir eine Clownsfratze ins Gesicht gemalt. Aber ein Clown kann die Schminke wegwischen, sodass man sein wahres Gesicht erkennt. Ich dagegen werde den anderen erst beweisen müssen, dass ich nicht mehr die alte Kayla bin.
Ich muss mein Leben selbst in die Hand nehmen und viele Dinge ändern. Sobald die Veranstaltung vorbei ist, werde ich mit Nicole reden. Vielleicht können wir unsere Freundschaft doch noch retten. Oder wir beschlieÃen, getrennte Wege zu gehen. So kann es jedenfalls nicht weitergehen. Ich muss wissen, was mit ihr los ist, warum sie sich in dieser kurzen Zeit so sehr verändert hat. Und wenn wir am Ende nicht wieder zusammenfinden, muss ich das akzeptieren. Zumindest haben wir dann reinen Tisch gemacht.
Ich finde einen Platz auf einer der oberen Sitzbänke, etwa in der Mitte der Tribüne, von wo aus ich einen guten Blick über die Turnhalle und die Transparente habe, die an den hohen Betonwänden die Sportmeisterschaft ankündigen.
Fast die ganze Schule hat sich versammelt. Lautes Gelächter und Stimmengewirr erfüllen die Halle. Lehrer laufen umher, rufen zur Ordnung auf oder lächeln die Schüler einfach nur höflich an.
Als ich Ben die Tribüne hinaufkommen sehe, wird mein Mund ganz trocken. Er ist so damit beschäftigt, sich einen Weg durch die inzwischen dicht bevölkerten Sitzreihen zu bahnen, dass er mich gar nicht bemerkt. Ich lehne mich nach vorn, lege den Kopf in die Hände und stütze mich auf die Ellbogen. Zur Sicherheit lasse ich noch mein Haar ins Gesicht fallen. Mein Atem wird immer flacher, je näher er kommt. Ich möchte auf keinen Fall mit ihm reden, denn ich habe keine Ahnung, wie ich ihm alles erklären soll.
Er setzt sich ausgerechnet hinter mich. Wenigstens scheint er mich nicht gesehen zu haben, also verhalte ich mich weiterhin still und bete, dass das Licht heruntergedreht wird. Leider stehen meine Chancen schlecht, denn gleich werden sich die Sportteams der Schule präsentieren.
Die ersten Sportler versammeln sich schon auf einer kleineren Tribüne an der gegenüberliegenden Seite der Turnhalle. Die breitschultrigen Footballspieler in ihren weinrot-goldenen Trikots haben im Handumdrehen eine Hälfte der Sitzreihen ausgefüllt. Die weniger
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