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Verwüstung - Eine Geschichte des Dreißigjährigen Krieges

Verwüstung - Eine Geschichte des Dreißigjährigen Krieges

Titel: Verwüstung - Eine Geschichte des Dreißigjährigen Krieges Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Englund
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Irritationsmoment, vor allem für die Holländer, die den Großteil des Handels auf der Ostsee beherrschten, und natürlich für die Schweden, die durch diese Abgaben ihre Exporteinkünfte verringert und ihre Importe verteuert sahen.) Der Öresundzoll war eine Gans, die ständig goldene Eier legte und dem dänischen König Summen bescherte, von denen viele andere Monarchen nur träumen konnten, und die es ihm mit den Jahren ermöglichte, einem so armen Schlucker wie dem englischen König finanzielle Hilfe anzubieten. ( 1623 beispielsweise hatte der Zoll ihm nicht weniger als 1 , 5 Millionen Taler eingebracht, eine für diese Zeit schwindelerregende Summe.)
    Der dänische König konnte von alters her die Überschüsse des Öresundzolls nach eigenem Gutdünken verwenden. Diese Regelung hatte im 17 . Jahrhundert unerwartet große Folgen, sowohl innen-als auch außenpolitisch, und trug entscheidend zum Kriegsausbruch 1643 bei.
    Die dänische Aristokratie bestand aus rund 500 Familien, die mehr als die Hälfte des gesamten Grund und Bodens im Reich besaßen. Demgemäß hatte sie eine starke Machtposition. Dass alle Monarchen, die den Thron bestiegen, vom dänischen Hochadel gewählt wurden, war zwar in gewisser Weise eine Formsache, aber doch eine wichtige; sie führte nämlich dazu, dass jeder König vor seiner Thronbesteigung mit verschiedenen Versprechungen für seinen Thron bezahlen musste, die dem, was er tun und nicht tun durfte, Grenzen setzten. In der Praxis wurde Dänemark nach ratskonstitutionalistischen Prinzipien regiert, was bedeutete, dass viele wichtige Beschlüsse – unter anderem der, in einen Krieg einzutreten – nur gefasst werden konnten, wenn der König die volle Zustimmung des
Reichsrats
der Aristokratie hatte.
    Heute besteht oft die Vorstellung, die Könige seien früher Alleinherrscher gewesen, die nach eigenem Gutdünken regierten und, wenn sie eines Tages mit dem falschen Fuß aus dem Bett stiegen, ungehindert jeden hinrichten lassen konnten. Das ist falsch. Die meisten Monarchen waren hart arbeitende Personen, die oft in der Politik eine entscheidende Rolle spielten und bereits zu Lebzeiten von einer nahezu mythischen Aura von Heiligkeit und einer Andeutung von Wundertätigkeit umgeben waren. Aber sie waren selten unumschränkte Herrscher. Viele waren gewählt, und fast alle regierten nach einem Prinzip der Machtbalance. (Dies gilt unter dem Vorbehalt, dass die meisten Reiche ein Zusammenschluss verschiedener Länder waren, weshalb innerhalb ein und derselben Grenze mehr als eine Verfassung gelten konnte.) Dieses Prinzip war keineswegs demokratisch – demokratische Ideen spielten während des 17 . Jahrhunderts überhaupt eine kleine Rolle –, sondern beruhte in der Regel darauf, dass die Aristokratie die Herrschaft auf verschiedene Art und Weise mit dem Monarchen teilte, während gleichzeitig Bürger, Geistlichkeit und andere Mittelschichten einen gewissen, wenngleich unsicheren Einfluss bekamen. Dieser Einfluss wurde über die Ständeversammlungen und Parlamente ausgeübt, die es in den meisten Ländern Europas gab und die vor allem auf die Besteuerung einwirken konnten. Überall, außer in Schweden und der Schweiz und einigen kleineren süddeutschen Ländern, wurden die Bauern aus diesen Organen herausgehalten. (Dass die große Mehrzahl der Bevölkerung in diesen Versammlungen keinen Platz erhielt, wurde damit begründet, dass sie durch ihre Herren vertreten seien.) Für den König oder die Königin und ihr Handeln bedeutete dies häufig, mit, gegen, über, unter und an diesen beiden politischen Gravitationszentren, der Aristokratie und den Ständen, vorbeizumanövrieren, die ihrerseits oft gegeneinander agierten.
    Diese Herrschaftsform wurde
monarchia mixta
, gemischte Monarchie genannt, und sie war zu diesem Zeitpunkt unter anderem in Schweden zu beobachten. Dort gab es einen Vorschlag für eine neue Regierungsform von 1634 , ein merkwürdiges Dokument, das auf eine Neuverteilung von Macht und Rechten zwischen den drei Größen König, aristokratischer Rat und Reichstag abzielte. Die schwedische Aristokratie mit Axel Oxenstierna hatte den Vorschlag ausgearbeitet, und sie war es auch, die am meisten dabei gewinnen konnte. In einer solchen
monarchia mixta
hatte die Aristokratie die Funktion von
Ephoren
, also einer kleinen Gruppe von hochgestellten Personen, die die Macht des Königs teilten und außerdem theoretisch eine ständige Rechtskontrolle über den Monarchen ausübten. Viele

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