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Verwüstung - Eine Geschichte des Dreißigjährigen Krieges

Verwüstung - Eine Geschichte des Dreißigjährigen Krieges

Titel: Verwüstung - Eine Geschichte des Dreißigjährigen Krieges Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Englund
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jammervolle Weise» und scheint mitten in seiner Arbeit tot umgefallen zu sein. Außerdem hatte er wohl ein paar Unregelmäßigkeiten hinterlassen. Das Ganze war ein schwerer Schlag für sie alle, und Dorotea trauerte tief um ihren Mann. Jöns’ Tod stürzte die Familie in akute Geldnot, und Dorotea sah sich im Jahr darauf gezwungen, eine Eingabe an Königin Maria Eleonora zu verfassen. Darin klagte Dorotea über ihre Armut und bat um Steuerbefreiung. Diese wurde auch für die Zeit der Abwesenheit des Königs vom Lande bewilligt.
    Diese Zeit konnte, so war zu erwarten, lange dauern, denn es war das Jahr 1630 , und der Name des Königs war Gustav Adolf. Seit seiner Thronbesteigung neunzehn Jahre zuvor hatte das Land sich beinah ununterbrochen im Kriegszustand befunden. Zuerst hatte man sich gegen die Dänen verteidigen müssen, kurz danach hatte er Russland angreifen lassen, wonach ein langwieriger Kampf mit Polen begann. Seit Ende Juni befand sich der König mit einem großen Heer unten in Deutschland, um sich dort in einen Bürgerkrieg einzumischen, der zu diesem Zeitpunkt bereits zwölf Jahre andauerte. Und er sollte noch achtzehn lange, qualvolle Jahre weiterdauern – doch das wusste damals niemand, ebenso wenig wie jemand wusste, dass der Krieg später als der «Dreißigjährige» bekannt werden sollte.
    Die Zeitgenossen verwendeten diese Bezeichnung übrigens nie. Die Ursachen des Kriegs waren so verwickelt und sein Verlauf so kompliziert, dass es für die, die mitten darin lebten, schwer war, einen wirklichen Überblick zu bekommen – wie stets in der Geschichte. Was wir im Nachhinein als verschiedene Phasen eines langgezogenen, aber recht einheitlichen Konflikts sehen, war für die, die mitten in ihm lebten, eine Aneinanderreihung von verschiedenen Auseinandersetzungen, die ineinanderflossen und sich auseinanderentwickelten. Zum Ersten war es ein deutscher Bürgerkrieg, der aus den scharfen Gegensätzen zwischen Katholiken und Protestanten entstanden war. Zum Zweiten war es auch ein deutscher Bürgerkrieg um verschiedene konstitutionelle Fragen, ausgetragen zwischen einem Kaiser, der die Zentralmacht stärken wollte, und verschiedenen Fürsten und Staaten, die danach strebten, ihre Selbständigkeit zu sichern. Zum Dritten war es auch ein deutscher Bürgerkrieg zwischen Herrschenden und Untertanen, wo sich die gewöhnlichen Kriegsoperationen vermischten mit kurzen, aber intensiven Volkserhebungen in den Städten und auf dem Land, die sich unter anderem gegen die Teuerung und feudale Unterdrückung richteten. Der Krieg wurde dadurch noch verwickelter, dass die Frontlinien in diesen verschiedenen Kriegen keineswegs miteinander deckungsgleich waren. Katholische und protestantische Fürsten fürchteten zuweilen eine ausgeweitete kaiserliche Zentralmacht mehr als einander. Alte Bundesgenossen fielen zuweilen voneinander ab, weil einer von ihnen allzu große Erfolge gehabt hatte und damit bei den anderen Befürchtungen auslöste, dass das geheiligte Gleichgewicht bedroht sei. Komplizierte dynastische Beziehungen konnten ebenfalls zu neuen Konflikten und überraschenden Parteinahmen führen. Und es wurde nicht weniger kompliziert dadurch, dass es auf allen Seiten eine Vielzahl freier Kriegsunternehmer und Abenteurer gab, die nur mäßig an den wirklichen Fragen des Kriegs interessiert waren und in erster Linie ihren Vorteil suchten und deshalb sogar die Seiten tauschen konnten, wenn es zufällig gerade ihren Zwecken dienlich war.
    Dieser Krieg sollte sich zum allerwichtigsten Ereignis des 17 . Jahrhunderts entwickeln. Er begann als etwas Kleines und Begrenztes, wuchs sich aber nach und nach zu einer Verwerfung von kolossalen Ausmaßen aus, die ein für alle Mal die Zeit und Europa in ein «Vorher» und ein «Nachher» teilte. Er hatte entscheidende Folgen, nicht nur für Deutschland und Mitteleuropa, sondern für den ganzen Kontinent, und er beeinflusste praktisch alle, die während dieser Zeit lebten. So auch Erik, der mitten in ihm leben sollte: Obwohl er erst vier Jahre alt war, als die ersten schwedischen [1] Soldaten deutschen Boden betraten, sollte er dennoch als Teilnehmer in den Krieg hineingezogen werden.
    Auch wenn es also falsch ist, ihn lediglich als einen deutschen Krieg zu sehen, so nahm er seinen langsamen und tastenden Anfang in Deutschland und wurde in der Hauptsache auf deutschem Boden ausgetragen. Das deutsche Reich – oder «das Heilige Römische Reich Deutscher Nation», wie sein offizieller

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