Verwüstung - Eine Geschichte des Dreißigjährigen Krieges
rechten Winkel war auch in der Landwirtschaft zu beobachten. Früher hatten Unregelmäßigkeit und Spontaneität geherrscht. Das war vorbei. Einem Handbuch aus der Mitte des Jahrhunderts zufolge musste eine Hecke gerade sein, gleichzeitig durften Baumpflanzungen nicht «unzivilisiert und verwirrend» sein, sondern sollten vorzugsweise die Form von Dreiecken, Vierecken, Ovalen oder Kreisen haben. Die geraden Formen der Handbücher des militärischen Drills und der große Traum des Festungsbauers Vauban,
pré carré
– das viereckige Feld –, hatten Einzug gehalten zwischen Obstbäumen und Hopfenstangen. Geometrische Formen waren eben schöner als unregelmäßige, und was konnte da erfreulicher sein als der Anblick einer kultivierten Landschaft, wo alles mit Winkelmesser und Wasserwaage ausgemessen schien, wo die asymmetrische Hässlichkeit der Natur bezwungen war?
Diese Verehrung der geordneten und gezähmten Natur ging am weitesten in der Gartenkunst der Zeit. Von ungefähr dieser Zeit an war es unter Adligen und Fürsten große Mode, unerhört weitläufige und unerhört teure Gärten anzulegen, in denen geometrische Ordnung und ein strenger, mathematisch klarer Stil herrschten. Dort, zwischen all den Statuen antiker Gestalten, kleinen Tempeln, Wasserspielen, Pyramiden, Altären, künstlichen Ruinen und endlosen, geharkten Wegen, war alles Wachsende gebändigt und nur noch streng gestutztes Ornament. Hier, zwischen fein gemusterten Terrassen und stramm ausgerichteten Kompanien von Tulpen, Lilien, Buchsbaum, Hyazinthen, Rosen und Iris, Szilla, Krokus und Hundszahn, Anemonen und Alpenveilchen, Lotus, Löwenmaul und Clematis, Geißblatt, Malven und Veilchen, sollten die Großen dieser Welt wandeln und gute Gedanken denken und gute Gespräche führen und sich an einer Natur erfreuen, der alle Gefährlichkeit ausgetrieben war. Dieses Entzücken angesichts des Gepflanzten und Geordneten beruhte indessen nicht allein auf der Distanz, die man gegenüber der wilden und unfruchtbaren Natur empfand. Die Verehrung des Gezähmten und Rechtwinkeligen war auch ein zentraler Betandteil des politischen Zeitgeistes. In einem Europa, wo die alten Strukturen schwankten und wo Krieg, Krisen und Revolutionen jedes zweite Reich erschütterten und in den meisten menschlichen Tätigkeitsbereichen Unsicherheit herrschte, war eine tiefe und sehr verständliche Sehnsucht nach Gewissheit, Ruhe und vor allem Ordnung entstanden. Gerade dieser radikale Stimmungswandel war eines der wichtigsten Ergebnisse des Kriegs. Die Menschen verlangte nach einer gezähmten, einheitlichen und dauerhaften Ordnung, die die asymmetrische, wildwüchsige und reichlich chaotische Vielfalt ablösen sollte, die so lange in Europa geherrscht hatte und die viele als die Ursache des Debakels in Deutschland, in Frankreich, in Spanien, in England, in Russland, in Polen und so weiter ansahen. Die Lösung hieß Zucht und Kontrolle, Kontrolle über die launische Natur, Kontrolle über die launischen Untertanen, Kontrolle über die launische Wirtschaft. Die Millenaristen, die Merkantilisten, die Astrologen, die Mystiker, die Wissenschaftler, die Feldherren und die Gärtner suchten alle auf ihre Weise eine genau gelenkte Ordnung zu erreichen, die als ursprünglich galt, aber nun verlorengegangen war. Dies, glaubte man, sei der Grund, warum Europa aus den Fugen geraten war, warum Dörfer brannten von Jämtland bis hinunter nach Sizilien. Die Rettung aus dieser Unordnung sollte von einer starken und züchtigenden Hand kommen, die schöne Einheitlichkeit, Ruhe und gerade Linien in die Zersplitterung brachte: ein Volk, ein Blut, ein Gesetz – ein Nationalstaat.
Karl Gustavs große Gesellschaft wurde fünf Kilometer vor Würzburg von einer Vielzahl von Karossen, Reitern und lokalem Adel in Empfang genommen; als sie in die Stadt einzogen, waren die Straßen von 14 Kompanien bewaffneter und «wohl ausstaffierter» Bürger, elf Kompanien Soldaten und Reiterei gesäumt, und die Luft war von donnernden Kanonensalven erfüllt. Vergessen war die Plünderung der Stadt durch schwedische Truppen 1631 . Im Tagebuch wird der Besuch so beschrieben:
Seine Durchl. der Herzog [Karl Gustav] blieb vier Tage in Würzburg und wurde mit seinem ganzen Gefolge von dem Kurfürsten über alle Maßen herrlich traktiert, mit Musiken, Komödien und dergleichen anderem, welches die Jesuiten und andere Ordenspersonen und Mönche recht meisterlich darzubieten verstehen. Und wurde Seine Durchl. auf das Schloß
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