Verwüstung - Eine Geschichte des Dreißigjährigen Krieges
Entwicklung scheint eine Wendung zu nehmen, der Friede scheint nah zu sein, doch dann geschieht etwas, das dem eingeschlafenen Krieg neue Energie zuführt. Was um die Mitte der zwanziger Jahre des 17 . Jahrhunderts der Lawine neue Kraft verleiht, hat seine Ursache jedoch in erster Linie außerhalb der Grenzen des Reichs. Sämtliche europäischen Mächte, mit der möglichen Ausnahme Russlands, hatten ihre Interessen in Deutschland zu wahren – was indessen später den Zaren nicht hinderte, ein wenig zu intervenieren. Die internationale Lage war gerade da ungewöhnlich angespannt; eine erschreckende Reihe von Zufällen häufte sich um das immer zerrissenere Deutschland auf. So geriet die große Lawine erneut ins Gleiten, anfänglich still und fast unmerklich, dann mit mehr und mehr Tempo, um zum Schluss alles in ihrem Weg mit sich fortzureißen, auch alle jene, die glaubten, dass sie die Entwicklung steuerten.
In Spanien herrschte ein anderer Zweig des Hauses Habsburg, das den Kaiserthron innehatte. Ein großer Teil Europas lag unter der Herrschaft dieses Geschlechts. Irritierend war nur, dass mehrere habsburgische Besitzungen reichlich weit voneinander entfernt lagen, wie verstreute Inseln, doch hoffte man, indem man Land in Deutschland an sich raffte, diese Inseln zu verbinden, die Spanischen Niederlande und Burgund, Mailand und Österreich zu einem einzigen, zusammenhängenden Imperium zu machen. Das Problem war nur, dass sie dies auf direkten Kollisionskurs mit Frankreich brachte, das seit langem sein Möglichstes tat, um sich gegen das zu wehren, was es als eine drohende habsburgische Einkreisung ansah. Und die Franzosen blickten nun mit Besorgnis auf das deutsche Reich und fragten sich, was für ein habsburgischer Leviathan dort möglicherweise Gestalt annahm.
Zur gleichen Zeit lief der Waffenstillstand aus, der zwölf Jahre lang die Waffen zwischen Spanien und den aufrührerischen Holländern hatte ruhen lassen. Als nun das Feuer unter diesem ruhenden Krieg neu entfacht wurde, führten die alten Gegensätze und die Logik, die besagt, dass der Feind meines Feindes mein Freund ist, unausweichlich dazu, dass er mit dem Konflikt in Deutschland verknüpft wurde. Auch in England waren die Herrschenden besorgt über das, was in Deutschland geschah – der englische König Jakob I. war der Schwiegervater Friedrichs V. Dem hartnäckigen Jakob gelang es durch fleißiges Ziehen an verschiedenen diplomatischen Fäden im Jahr 1625 , Dänemark zu einem militärischen Eingreifen zu veranlassen. Dem dänischen König Christian IV . – mutig, großartig und tief gläubig, aber leichtsinnig und ein militärischer Dilettant – wurden großzügige Hilfsgelder von England, Frankreich und den Niederlanden zugesagt, was ihn dazu brachte, eine Armee aufzustellen und ins deutsche Reich einzumarschieren.
So weitete sich der deutsche Bürgerkrieg zu einem europäischen Konflikt aus.
Leider konnte Christian für seine Intervention in großem Stil kaum einen schlechteren Zeitpunkt wählen. Die Anzahl der Widersacher hatte sich gerade bedeutend erhöht: Noch ein feindliches Heer war auf die Beine gestellt worden. (Dahinter stand ein skrupelloser und gewinnsüchtiger, aber auch äußerst erfindungsreicher böhmischer Edelmann mit Namen Albrecht Wenzel Eusebius von Wallenstein, ein Abenteurer, tüchtiger Militär und Opportunist zugleich, der mit beschlagnahmten protestantischen Gütern in Böhmen enorme Profite gemacht hatte und selbst das meiste besaß, dessen es bedurfte, um Krieg zu führen, von Regimentern bis zu Munitionsmanufakturen – ein hochgewachsener, hagerer und furchteinflößender Mann mit finsterem, durchdringendem Blick, oft auffällig dunkel gekleidet und in einen langen scharlachroten Mantel gehüllt.) Außerdem blieben bald viele der versprochenen Hilfsmittel aus, und die ängstlichen protestantischen Fürsten in Deutschland zeigten aufs Ganze gesehen nur begrenzten Enthusiasmus für die ganze Unternehmung. Einmal entging Christians Heer einer drohenden Niederlage nur aufgrund des ständigen und ewigen Streitens und Gerangels der Generale der Gegenseite darum, wer das Recht hatte, über was, wen und wo zu entscheiden, und falls ja, warum. Schließlich wurde das dänische Heer jedoch besiegt, als Christians ungeübte Söldner im August 1626 an einem sumpfigen Fluss bei Lutter am Barenberge auf die narbenbedeckten Veteranen der Liga trafen. Es war ein Tag, an dem das meiste schiefging: Einige dänische Verbände
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