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Verwüstung

Verwüstung

Titel: Verwüstung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T. J. MacGregor
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Unterkünfte zu koordinieren. Die meisten der Unterkünfte waren überfüllt und unterbesetzt, manche öffneten nicht rechtzeitig, andere öffneten gar nicht, weil die freiwilligen Helfer nicht kamen. In Dade County gab es nicht genug Notunterkünfte für alle, die evakuiert werden mussten.
    Um fünf am Sonntagnachmittag, als er schließlich Feierabend gemacht hatte, waren die Regale in Supermärkten und Baumärkten nackt und kahl, die Straßen verstopft, die Zapfsäulen an den Tankstellen trockengelaufen und viele Geldautomaten leer. Andrew wirbelte mittlerweile mit 240 Sachen und schob eine Welle von gut vier Metern Höhe vor sich her. Es wäre der erste große Hurrikan, der seit zweiundvierzig Jahren Florida traf, und der drittmächtigste Hurrikan, der die USA je erreichte.
    Er erinnerte sich noch lebhaft daran, wie um zwei Uhr nachts der Regen und der Wind begonnen hatten. Eineinhalb Stunden später hatte Andrews Zorn die Innenstadt von Miami erreicht. Die brutalen Winde knickten Bäume, als wären sie Streichhölzer, rissen Straßenschilder ab, ließen Ampeln durch die Luft fliegen, zerfetzten absolut alles, was nicht niet- und nagelfest war. Sie walzten Campingplätze und Wohngegenden platt. Doch Sheppard wusste zu dieser Zeit nichts davon, denn er hatte keinen Strom mehr. Sein batteriebetriebenes Radio verkündete, dass es keine neuen Informationen vom National Hurricane Center gab, denn dessen Gerätschaften wären zerstört worden.
    Gegen drei war er schlafen gegangen. Vier Stunden später hatte ihn ein Anruf Dillards geweckt, der befahl, dass er zur Nothilfestation in zehn Kilometer Entfernung zu kommen hatte. Sporadische Funksignale aus Homestead und der Nähe des städtischen Zoos berichteten von unvorstellbarer Zerstörung, und die Einsatzkräfte konnten jede Hilfe gebrauchen, die zu kriegen war. In Anbetracht des Zustands seiner eigenen Wohngegend erschienen Sheppard die Berichte von kompletter Verwüstung deutlich übertrieben. Ja, etliche Bäume waren umgestürzt, Stromleitungen abgerissen, es gab ein paar Wasserschäden. Insgesamt schien das nördliche Ende Miamis die Kategorie fünf jedoch in erstaunlich gutem Zustand überstanden zu haben.
    Er reihte sich ein in eine Schlange aus Bundesfahrzeugen, die nach Südwestmiami fuhren, und erst dort begriff Sheppard, was für ein Sturm Andrew gewesen war. Klein, kompakt und so kraftvoll, dass er zwanzig Gemeinden einfach ausgelöscht hatte. Country Walk, eine gehobene Wohngegend, war komplett verschwunden, weggeweht, Geschichte. Der städtische Zoo, der gut einen Quadratkilometer bedeckte, war vollkommen zerstört. Die Affen waren los, Panther waren entkommen, die Voliere war zusammengebrochen und Tausende von Vögeln waren entflohen oder umgekommen. Haustiere – Hunde, Katzen, Frettchen, Hasen, exotische Vögel – er hatte alle möglichen Tiere gesehen – wanderten verstört umher.
    Die Menschen standen vor den Ruinen ihrer Häuser, bewaffnet mit Schrotflinten und Schildern. BRAUCHE MEDIZINISCHE HILFE. BRAUCHE WASSER UND ESSEN. BRAUCHE EINE VERSICHERUNG. Die Sanitäter in seinem Wagen versuchten, die Verwundeten zu retten, die Traumatisierten, die Sterbenden. Aber es fehlten ihnen an entsprechenden Arzneimitteln. Sheppard sah, wie Operationen ohne Betäubungsmittel mitten im Dreck durchgeführt wurden. Er sah, wie sie blutende Patienten wegschickten, wie Kinder durch das Niemandsland taumelten, sie weinten nach ihren Mamas.
    Die beiden Schlote des Atomkraftwerkes fünfzehn Kilometer südlich von Homestead waren so stark beschädigt worden, dass mit Sicherheit Strahlung ausgetreten war. Niemand wusste, wie viel oder was das für das Umland bedeutete. Hunderte von ausländischen Arbeitern waren umgekommen, ihre Leichen wurden letztlich in einem Massengrab in den Everglades verscharrt. Hunderte von Toten lagen in den Ruinen in Südwestmiami, und Kühlwagen von Burger King wurden eingesetzt, um die Leichen abzutransportieren.
    Er sah das Unaussprechliche. Und praktisch nichts davon schaffte es je in die Presse.
    Am fünften Tag dort fühlte er sich, als lebte er in einem so grotesken Salvadore-Dalí-Albtraum, dass er selbst unter Schock stand. Er ging nach Hause und schlief achtzehn Stunden am Stück – kein Pinkeln, kein Traum, kein Hungergefühl. Er sank so tief in schwarzen Schlamm, dass er, als er wieder nach oben kam, es geradezu als Wunder betrachtete, das überhaupt geschafft zu haben.
    Am nächsten Tag reichte er seine Kündigung beim FBI ein. In

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