verwundet (German Edition)
vorbei und hänge ihn dir auf.“
„Du bist ein Schatz.“
„Keine Ursache. Und wenn ich schon mal dabei bin, werde ich gleich deine Balkontür ölen.“
„Super“, bedankte sich Katja und verschwand nach nebenan.
„Nett von dir, ihr zu helfen“, sagte Angelika.
„Das ist doch selbstverständlich.“
Katja kehrte ins Wohnzimmer mit einer Flasche Öl zurück, die sie ihm in die Hand drückte und verschwand anschließend wieder in der Küche. Er ging zum Balkon und ölte die Scharniere. Angelika beobachtete ihn. Er sah kurz zu ihr hinüber. „Darf ich dir eine persönliche Frage stellen?“
„Bitte.“
„Du hast nie einen Vater erwähnt.“
„Er hat meine Mutter sitzengelassen, als sie mit mir schwanger war.“
Harald unterbrach seine Arbeit und starrte sie an. „Irgendwie hatte ich immer angenommen, dass dein Vater erst im Alter gestorben ist.“ Als sie nichts erwiderte, fragte er. „Wie war das für dich als Kind?“ Er wandte sich wieder der Tür zu und bewegte sie hin und her, um zu hören, ob sie noch quietschte.
„Nicht einfach. Weder für mich, noch für meine Mutter. Schließlich war bekannt, dass er nicht im Krieg gefallen war, wie die Väter vieler anderer Kinder, sondern dass meine Mutter vor der Ehe Sex gehabt hatte, und er sie hat sitzen lassen.“
Plötzlich sah er Angelika als kleines Mädchen mit Zöpfen vor sich, die auf dem Schulhof von den anderen Kindern gehänselt wurde, weil sie keinen Vater hatte. Die Tür gab kein Geräusch mehr von sich. Er stellte das Ölfläschchen beiseite und setzte sich wieder zu ihr. Er berührte ganz kurz ihre Hand und sagte: „Tut mir leid für dich.“
Sie nickte nur. Irgendwie wirkte sie bedrückt.
„Ich kann mich nur insofern in dich hineinversetzen, weil es zur damaligen Zeit sicher noch schwieriger war als heute. Ansonsten haben wir uns immer gewünscht, keinen Vater zu haben.“
Er sah ihr verblüfftes Gesicht. Mist, dachte er, warum kann ich bloß mein Maul nicht halten? Er erhob sich. „Ich muss jetzt gehen.“
Angelika wollte gerade etwas sagen, als Katja wieder hereinkam und fragte. „Du gehst schon?“
„Ich habe eine Verabredung mit einem der Ornithologen aus meiner Gruppe. Er kann mir vielleicht eine Arbeit in Schweden beschaffen.“
„In Schweden. Heißt das, du würdest von hier weggehen?“
„Vielleicht.“
Als er Katjas Gesicht sah, sagte er: „Ich wäre doch nicht aus der Welt. Man kann sich doch trotzdem sehen.“
„Ja, ja, das kennt man ja. Aus den Augen, aus dem Sinn.“
„Zuerst einmal muss ich ja sehen, ob das überhaupt klappt.“
Er gab Angelika die Hand und sah dabei, wie ihr Blick auf den Zettel von Petra fiel. Er ließ ihn liegen und verließ das Zimmer. Katja brachte ihn zur Tür. Er umarmte sie, und sie schloss gedankenverloren die Tür hinter ihm. Dann ging sie wieder ins Wohnzimmer, stellte sich an das Fenster und sah trübsinnig hinaus.
Nach ein paar Minuten sagte Angelika. „Sein Weggehen scheint dich ziemlich zu treffen. Hast du dich in ihn verliebt?“
Katja wandte sich zu ihr um. Ihre Stimme klang traurig, als sie sagte: „Selbst wenn, hätte ich doch keine Chance, da er ja dich will.“
„Katja, das Thema hatten wir schon.“
„Ich wäre froh, wenn ein Mann mich so lieben würde, dass er meinetwegen die Stadt verlässt, weil er es nicht ertragen kann, zu wissen, dass ich hier lebe, ohne dass eine Chance auf Erfüllung dieser Liebe besteht“, fuhr Katja sie an. „Was ist bloß los mit dir? Bist du blind? Ihr Psychologen seid immer klug, wenn Ihr anderen Ratschläge geben könnt, aber in eurem eigenen Leben lauft Ihr ganz schön mit Scheuklappen herum.“
*
Frau Dr. Dunkelmann war ratlos. Sie konnte Lisa nicht zwingen, mit ihr zu reden. Schließlich wusste sie sich keinen anderen Rat. Sie ging in Lisas Zimmer und bat Frau Kesten, einen Moment hinauszugehen. Als sie allein mit ihr war, sagte sie: „Gibst du immer so schnell auf?“
Lisa, die am Fenster stand, fuhr herum. „Was gebe ich denn auf?“
„Nun, unsere Gespräche natürlich. Sie schienen dir doch zu helfen. Jetzt, wo sie mal an einem schwierigen Punkt angekommen sind, meidest du sie.“
„Pfff!“
„Nun, wenn du auf die Gespräche keinen Wert mehr legst, kann ich deinen Termin wohl anderweitig vergeben. Du kannst dann ja auch entlassen werden, ich werde die Papiere fertigmachen lassen.“
Lisa sah sie entsetzt an. Die Ärztin fuhr fort: „Wir haben nur eine sehr begrenzte Bettenanzahl, und die Patienten,
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