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verwundet (German Edition)

verwundet (German Edition)

Titel: verwundet (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Constanze Kühn
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welche Gespräche für nicht mehr erforderlich halten, werden entlassen, um anderen Patienten Platz zu machen. Ich werde also alles Nötige veranlassen.“ Sie wandte sich um und verließ den Raum.
    Entsetzt sah Lisa hinter ihr her.
    Als Frau Kesten das Zimmer betrat, fand sie Lisa vor, die auf ihrem Bett lag und von einem Weinkrampf geschüttelt wurde. „Kind! Was hast Du nur?“
    Doch Lisa reagierte nicht.
    „Lisa, warum redest du nicht mit Frau Dr. Dunkelmann? Sie mag dich und bemüht sich doch schon seit Wochen um dich.“
    Lisa schüttelte heftig den Kopf und verkroch sich unter ihre Bettdecke.
    Am anderen Tag wartete sie ungeduldig, dass es endlich elf Uhr wurde. Sie hatte die Oberschwester gefragt, ob sie wüsste, ob Frau Dr. Dunkelmann schon ihren Termin vergeben hätte. Diese wusste jedoch nichts darüber. Mit pochendem Herzen klopfte Lisa um elf an die Bürotür. Die vertraute warme Stimme erklang mit einem ja, bitte. Zaudernd betrat Lisa das Zimmer und sah in die klaren Augen der Ärztin. „Haben Sie Zeit für mich?“ Ihre Stimme zitterte.
    Die Psychiaterin wies auf die Sitzgruppe. Nachdem Lisa Platz genommen hatte, setzte sich die Ärztin ihr gegenüber. Beide schwiegen.
    „Haben Sie meinen Termin schon vergeben?“ Lisa sprach die Worte zögerlich aus.
    Frau Dr. Dunkelmann ließ sich ihre Erleichterung nicht anmerken. Sie hatte eine unruhige Nacht verbracht und sich gefragt, ob sie mit ihrem Bluff nicht zu weit gegangen war. Jetzt schüttelte sie den Kopf: „Nein, noch nicht.“
    „Ich möchte hier bleiben!“ stieß Lisa schließlich hervor. Die Ärztin nickte. „Es hat aber nur Sinn, wenn du mitarbeitest und mir sagst, was in dir vorgeht. Ich kann dir sonst nicht helfen. Versprichst du mir das?“
    Lisa zögerte einen Moment, dann nickte sie. „Ja.“
    „Erinnerst du dich an die letzten zwei Sitzungen vor meiner Abfahrt? Du wolltest, dass ich neben dir sitze. Als ich nachgehakt habe, hast du dich völlig verschlossen. Bereits damals warst du wütend auf mich. Warum? Hast du darüber einmal nachgedacht?“
    Lisa brach in Tränen aus.
    Frau Dr. Dunkelmann reichte ihr ein Taschentuch. „Lisa, lass es raus. Komm, es geht schon.“
    „Ich kann nicht“, heulte Lisa, ich kann nicht!“ Zwischen den Tränenschleiern konnte sie das warmherzige Gesicht der Ärztin erkennen. Sie wischte sich die Tränen ab, die jedoch weiter liefen. „Ich bekomme nie das, was ich möchte.“
    „Was möchtest du denn?“
    „Ich will... ich möchte... ich möchte, dass Sie mich gern haben.“
    „Das habe ich, Lisa.“
    „Nein, nein, Sie verstehen das nicht. Ich möchte, dass Sie mich richtig gern haben.“
    „Was verstehst du unter richtig gern haben?“
    „Ich...“ Lisa sah sie mit weit aufgerissenen Augen an. „Ich liebe Sie.“
    Die Ärztin lächelte. „Das ist doch etwas sehr Schönes.“
    „Nein, nein, Sie, ich, Sie verstehen das nicht. Ich will mit Ihnen schlafen.“ Sie schlug sich mit der Hand vor den Mund und sah die Ärztin entsetzt an.
    Doch Frau Dr. Dunkelmann wirkte nicht erschrocken oder abgestoßen. „Warum möchtest du das?“
    „Was?“
    „Warum möchtest du mit mir schlafen?“
    „Was ist das für eine Frage? Warum möchte man mit anderen Menschen schlafen?“
    „Warum möchtest du mit mir schlafen?“
    „Weil ich Sie schön finde.“
    „Möchtest du mit allen Menschen schlafen, die du schön findest?“
    „Nein.“
    „Warum dann mit mir?“
    „Weil... , weil Sie so... , ach, ich weiß es nicht. Es ist eben so!“
    „Versuche, mir zu beschreiben, was du fühlst.“
    „Aber ich... Ich verstehe nicht.“
    „Lisa, ich möchte, dass du jetzt die Augen schließt und mir deine Wünsche und Phantasien beschreibst. Du weißt, dass du mir alles sagen kannst. Versuche es.“ Lisa sah sie mit großen Augen an. „Ich will einfach nur mit Ihnen schlafen. Warum wollen Sie denn noch mehr wissen?“
    „Beschreibe mir deine Empfindungen, Lisa.“
    Lisa starrte auf die Lippen der Ärztin. „Ihr Mund ist schön, er sieht so weich aus, und ich möchte einfach meine Lippen auf Ihre drücken. Ich möchte...“ sie stockte, „ich möchte Sie innig küssen, möchte Sie ganz spüren, Ihre Haut, ihren Duft, Ihre Wärme, Ihre Nähe, Ihre Weichheit...“ Sie brach ab, starrte Frau Dr. Dunkelmann angstvoll an. Doch deren Gesichtsausdruck blieb warm und sanft. Kein Entsetzen oder Erschrecken zeichnete sich in ihrer Miene ab.
    Es klopfte an der Tür. Frau Dr. Dunkelmann ärgerte sich. Ausgerechnet jetzt.

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