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verwundet (German Edition)

verwundet (German Edition)

Titel: verwundet (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Constanze Kühn
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nicht zu sehen. Als sie beim Tisch ankam, zwinkerte ihr Andrea zu und stellte sie einander vor: „Steffi -Lisa.“ Steffi nickte ihr zu. Lisa nickte auch und sagte dann: „Ich möchte jetzt gehen.“
    „Ja okay, ich bleibe allerdings noch. Komm gut nach Hause.“
    Als Lisa später im Bett lag, fühlte sie sich schrecklich einsam. Sie hatte ein paar Mal bei Lydia angerufen, aber immer den Mut verloren, wenn Lydias warme Stimme sich gemeldet hatte. Dann hatte sie schnell wieder eingehängt. Warum hatte sie nur alles kaputt gemacht? Sie nahm drei Schlaftabletten und hoffte, dass sie wirken würden. Irgendwie ließ das Mittel nach. Sie musste sich mal andere besorgen.
    Als sie am nächsten Mittag am Frühstückstisch saß, grübelte sie noch über Andrea nach, als diese verschlafen aus ihrem Zimmer kam. Sie war schweigsam, goss sich nur Kaffee ein und aß nichts.
    „Nanu, du bist ja zu Hause“, sagte Lisa verwundert.
    „Ja“, lautete die einsilbige Antwort.
    Lisa zuckte die Schultern. Na, dann eben nicht, würden sie sich halt anschweigen. Plötzlich sagte Andrea: „Steffi war einmal meine große Liebe.“
    „Was?“
    „ Sie war es, mit der ich hier in die Wohnung ziehen wollte. Dann hat sie eine Andere kennengelernt und sich wahnsinnig verknallt. Das war’s dann für mich. Als ich sie gestern gesehen hab, hat mich das echt umgehauen. Sie ist noch mit der Anderen zusammen, aber angeblich nicht glücklich.“
    „Das klingt ja wie bei ganz normalen Menschen.“
    „Du bist lustig. Was soll denn anders sein? Es geht doch dabei immer um Gefühle.“
    „Aber du schläfst doch mit Männern. Bist du nun lesbisch oder...?“
    Andrea tippte sich an die Stirn: „Schon mal was von bi gehört? Wo lebst du eigentlich? Auf dem Mond? Im Übrigen: Was heißt schon normal ? Ich finde uns viel normaler als die sogenannten Heteros. Die unterdrücken doch nur die eine Seite.“
    Lisa wagte nichts mehr zu sagen, Andrea schien heute extrem schlechter Laune zu sein.
    *
    Harald betrachtete Lydia, die noch schlief. Irgendwie verstanden sie sich nicht so, wie er es erwartet hatte. Er konnte zwar mit ihr über die Bücher reden, die er las, über seinen Kampf im Umweltschutz, über seine Kritik an Politikern und der Gesellschaft, seine Ideale, und sie war belesen und konnte gut zuhören. Aber stets versuchte sie, ihn zu beschwichtigen. Sie wollte auch oft nur zu Hause bleiben, währenddessen er lieber ausgegangen wäre. Häufig warf sie ihm vor, dass er dauernd mit ihr schlafen wolle. Oft erzählte sie ihm auch von den Schwierigkeiten in ihrer Buchhandlung. Sie hatte seinerzeit das Geschäft, das vorwiegend Bücher für Christen angeboten hatte, von ihren Eltern geerbt. So nach und nach hatte sie den Laden umgestaltet und hatte inzwischen ein anspruchsvolles und breit gefächertes Sortiment. Ihr Geschäft war klein, und sie musste gegen die Buchhandelsriesen kämpfen, die inzwischen überall aus dem Boden sprossen. Aber sie hatte ihre Stammkunden, die ihr die Treue hielten, weil sie immer gut informiert war und oft Ratschläge geben konnte. Harald war erstaunt gewesen, zu hören, dass das einmal eine christliche Buchhandlung gewesen sei. Ihre Eltern seien sehr religiös gewesen, hatte Lydia erwidert.
    Als Lydia erwachte, küsste er sie und fragte: „Wieso bist du nicht religiös?“
    Lydia lachte. „Oh und das gleich nach dem Aufwachen. Früher als Kind war ich es einmal. Doch je älter ich wurde, desto mehr entfernte ich mich davon. Meine Eltern hingegen wurden immer...“ sie hielt inne,... „ja, man könnte fast sagen, sie wurden immer bigotter. Sie haben mich sehr streng erzogen. Ich durfte keine Hosen tragen, nicht tanzen gehen, und all das, was jungen Mädchen Spaß machte, wurde mir verwehrt. So kam es natürlich, dass ich anfing, mich zu widersetzen und es dieser Religion verübelte, dass sie mir alles verbot. Meine Eltern wollten mir auch untersagen, mich mit Jungs zu treffen. Als ich mich dann in einen Schulkameraden einer höheren Klasse verliebte, wandte ich mich von der Religion endgültig ab.“ Sie errötete.
    Harald sah ins Leere und sagte dann: „Meine Eltern waren Atheisten. Mein Vater war ein reiner Verstandesmensch und lehnte alles mystisch oder religiös Angehauchte ab. Sie haben beide viel gelesen, wobei mein Vater politische Bücher bevorzugte und vielleicht einmal einen amerikanischen Roman, so wie meine Mutter. Aber ich habe, obwohl ich das Lesen von ihnen übernommen habe, eine andere Einstellung zu

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