Verzaubertes Verlangen
einflussreichen Mitglieds der gehobenen Gesellschaft, um zukünftige Kunden zu werben.
»Ist das Umkleidezimmer für Damen bereit?«, fragte Venetia.
»Ja.« Amelia trug die Vase zum Aufnahmesessel und stellte sie daneben auf. »Maud hat es heute Morgen sauber gemacht.«
Das Umkleidezimmer für Damen hatte eine Unsumme verschlungen, doch der Tisch mit der Marmorplatte, die Samtvorhänge, die dicken Teppiche und die reich verzierten Spiegel waren die Ausgabe wert gewesen. Venetia wusste, dass sich etliche ihrer neuen Kundinnen allein aufgrund der Gerüchte über dieses Schmuckstück von einem Zimmer für Porträtaufnahmen angemeldet hatten.
»Ich frage mich, wie lange Mr. Jones wohl brauchen wird, um den Schurken, nach dem er sucht, zu finden«, überlegte Amelia laut.
»Wenn er auf sich allein gestellt bleibt, kann es ewig dauern, fürchte ich«, erwiderte Venetia. »Er hat zugegeben, dass er über herzlich wenig Erfahrung in solchen Dingen verfügt. Er hat auch gesagt, er hätte bislang kein Glück gehabt, obgleich er bereits seit drei Monaten nach dem Dieb sucht. Wie es aussieht, werde ich ihm wohl helfen müssen.«
Amelia hob erstaunt den Kopf. »Du willst ihm bei seinen Nachforschungen helfen?«
»Ja.« Venetia rückte das Stativ zurecht. »Wenn ich es nicht tue, werden wir ihn nie wieder los. Und er kann schließlich nicht ewig in unserer Dachkammer wohnen.«
»Weiß Mr. Jones, dass du beabsichtigst, ihm beim Aufspüren dieses gefährlichen Individuums zur Hand zu gehen?«
»Ich habe noch nicht mit ihm über meine Absicht gesprochen«,
gestand Venetia. »Heute ist so viel passiert, da hatten wir keine Gelegenheit, die Sache ausführlich zu besprechen. Ich werde heute Abend mit ihm darüber reden, nach der Ausstellung. Er besteht darauf, mich zu der Veranstaltung zu begleiten.«
Amelia sah sie an. »Hmm.«
»Was ist denn?«
»Ich gebe zu, dass ich gerade erst Mr. Jones’ Bekanntschaft gemacht habe«, sagte Amelia, »aber ich habe so das Gefühl, dass er nicht begeistert davon sein wird, Ratschläge und Führung anzunehmen.«
»Sein Pech.« Venetia schob einen der Schirme in Position. »Es war seine Entscheidung, bei uns einzuziehen. Wenn er unbedingt mit uns zusammenleben möchte, dann muss er sich auch meine Meinungen anhören.«
»Wo wir gerade von der Fotoausstellung heute Abend sprechen«, sagte Amelia. »Ich vermute, dass es sehr viele Besucher geben wird. Und alle werden ausgesprochen neugierig auf den verblichenen Mr. Jones und seine wundersame Rückkehr sein.«
»Dessen bin ich mir durchaus bewusst«, versicherte Venetia.
»Was willst du denn anziehen? Deine gesamte Garderobe ist schwarz, weil du ja angeblich Witwe bist. Du hast keine schicken Kleider in anderen Farben.«
»Ich werde tragen, was ich bereits für diesen Abend ausgewählt habe.« Venetia rückte den Schirm ganz leicht zurecht. »Das schwarze Kleid mit den schwarzen Satinrosen am Ausschnitt.«
»Ein totgeglaubter Gatte kehrt zurück und zieht in der Dachkammer ein, und seine Witwe trägt weiterhin Schwarz.«
Amelia schüttelte den Kopf. »Das sieht doch alles recht seltsam aus, wenn du mich fragst.«
»Mr. Jones ist ein recht seltsamer Mensch«, erwiderte Venetia.
Amelia überraschte sie mit einem vielsagenden Grinsen. »Etliche würden dich zweifellos für ziemlich seltsam halten, wenn sie von deinen ungewöhnlichen Fähigkeiten wüssten, teuerste Schwester.«
Venetia rückte das Stativ ein allerletztes Mal zurecht. »Wenigstens besitze ich genügend Anstand und gute Manieren, um meine Eigentümlichkeiten vor den Augen der feinen Gesellschaft zu verbergen.«
10
»Ich hoffe, Sie nehmen es nicht persönlich, Sir.« Mrs. Trench, noch immer etwas außer Atem vom Erklimmen der vielen Stufen, öffnete die Dachbodentür. »Ich bin sicher, Mrs. Jones hat Ihnen nur diese schreckliche kleine Kammer gegeben, weil sie im Moment nicht ganz sie selbst ist. Sobald sie sich wieder erholt hat, wird sie sich schon besinnen.«
»Das ist eine interessante Bemerkung, Mrs. Trench«, sagte Gabriel. Er manövrierte mit Edwards Hilfe einen der Reisekoffer in die beengte Kammer. »Als ich vorhin in ihrem Arbeitszimmer mit Mrs. Jones gesprochen habe, erschien sie mir genauso, wie ich sie in Erinnerung hatte: ganz Herrin der Lage.« Er sah Edward an, der das andere Ende des schweren Koffers festhielt. »Wir stellen ihn am besten hier ab.«
»Ja, Sir«, antwortete Edward. Er setzte sein Ende des Koffers behutsam auf dem Boden ab, eindeutig
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