Verzaubertes Verlangen
von den Mitgliedern der Arcane Society für private Korrespondenz benutzt werden. Ich werde eine Weile brauchen, um sie zu entschlüsseln. Ich werde mich noch heute Nacht daranmachen und sage Ihnen dann morgen beim Frühstück, was darin steht.«
»Aber wenn es eine verschlüsselte Botschaft ist, dann muss es etwas sehr Wichtiges sein.«
»Nicht unbedingt.« Seine Mundwinkel verzogen sich zu einem sarkastischen Lächeln, während er den Brief einsteckte. »Durch den fast zwanghaften Drang zur Geheimhaltung innerhalb der Gesellschaft wird praktisch jede Botschaft, die von einem Mitglied an ein anderes geschickt wird, verschlüsselt. Diese Nachricht von Montrose ist höchstwahrscheinlich nichts weiter als eine Bitte, sich morgen mit ihm zu treffen, um zu besprechen, wie er bislang vorangekommen ist.«
»Sie werden mich doch umgehend wissen lassen, wenn es etwas Wichtiges ist, oder nicht?«
»Aber natürlich«, sagte er leichthin. »Aber jetzt denke ich, dass wir beide erst einmal nach oben und ins Bett gehen sollten. Es war ein langer, ereignisreicher Tag.«
»Ja, das war es.« Sie stieg die ersten Stufen hinauf und suchte verzweifelt nach einer nonchalanten Bemerkung zum Abschied. »Ich denke, der Abend war recht fruchtbar, finden Sie nicht auch?«
»In vielerlei Hinsicht.«
Der anzügliche Unterton seiner Stimme ließ sie von neuem erröten. Zum Glück war die Wandlampe auf dem Treppenabsatz ganz heruntergedreht.
»Ich meinte das, was wir über Mrs. Fleming herausgefunden haben«, erklärte sie streng.
»In der Hinsicht auch«, pflichtete er ihr bei.
Sie sah ihn an. »Man fragt sich aber doch, was für ein Geheimnis es war, das Mr. Pierces Freund so teuer war.«
»Wahrscheinlich ist es besser, wenn wir das nie erfahren«, sagte Gabriel.
»Da könnten Sie Recht haben.« Sie überlegte kurz und zuckte dann mit den Achseln. »Nichtsdestotrotz denke ich, dass ich erraten kann, worum sich das Geheimnis drehte.«
»Sie denken, es hat etwas mit der Tatsache zu tun, dass Pierce und seine Freunde einem Club angehören, dessen Mitglieder Frauen sind, die sich gern als Männer verkleiden?« Gabriel klang eher amüsiert denn schockiert.
Sie wirbelte herum und klammerte sich an das Geländer. »Sie wussten über den Janus-Club Bescheid?«
»Nicht, bis wir dort eingetroffen sind«, gestand er. »Aber sobald wir dort waren, war es nicht schwer zu erkennen, dass nicht alles so war, wie es auf den ersten Blick schien.«
»Aber wie …?«
»Ich sagte Ihnen bereits, Frauen riechen anders. Jeder Mann, der von einer großen Gruppe von Frauen umgeben ist, wird es früher oder später gewahr, egal, wie sie gekleidet sind. Ich vermute, im umgekehrten Fall gilt das ebenso.«
»Hmm.« Sie ließ sich das kurz durch den Kopf gehen. »Haben Sie Harrow als Frau erkannt, als Sie ihm bei der Ausstellung begegnet sind?«
»Ja.«
»Sie sind scharfsinniger als die meisten«, sagte sie. »Harrow gibt sich jetzt schon seit einiger Zeit in der feinen Gesellschaft als Gentleman aus.«
»Wie haben Sie sie kennengelernt? Oder vielleicht sollte ich besser ›ihn‹ sagen.«
»Ich spreche von Harrow immer als Mann.« Sie schnitt eine Grimasse. »Das macht es leichter, sein Geheimnis zu wahren. Und um Ihre Frage zu beantworten, er ist kurz nachdem ich mein Atelier eröffnet hatte, an mich herangetreten
und hat ein Porträt in Auftrag gegeben. Er war einer meiner ersten Kunden.«
»Verstehe.«
»Während ich ihn fotografierte, habe ich dann erkannt, dass er eine Frau war. Harrow wusste sofort, dass ich Bescheid wusste. Ich habe ihm mein Wort gegeben, sein Geheimnis zu wahren. Ich glaube nicht, dass er mir anfangs vollends vertraut hat, aber nach einer Weile wurden wir Freunde.«
»Harrow weiß, dass Sie gut darin sind, Geheimnisse zu wahren.«
»Ja. Er scheint ein Gespür dafür zu haben.«
»Verstehe«, sagte Gabriel abermals.
Sie runzelte die Stirn. »Stimmt etwas nicht?«
Er zuckte mit den Achseln. »Interessant, dass Harrow sich die Mühe gemacht hat, eine neue, unbekannte Fotografin aufzusuchen, die noch nicht die Aufmerksamkeit der gehobenen Gesellschaft erregt hatte.«
»Ich hatte bereits eine erfolgreiche Ausstellung in Mr. Farleys Galerie«, erklärte sie, besorgt von der Richtung, die seine Überlegungen nahmen. »Dort hat Harrow zum ersten Mal meine Arbeiten gesehen. Wirklich, Sir, Sie können ihn doch wohl nicht verdächtigen, in diese Sache mit der Formel verwickelt zu sein.«
»Im Moment neige ich dazu, jeden zu
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