Verzaubertes Verlangen
deutlich sehen wie ich ihn.
Ihm blieb keine Zeit für weitere Überlegungen. Der Angreifer fiel über ihn her und trat ihn brutal mit seinem Stiefel.
Der Tritt traf Gabriels Schulter, und Gabriel verlor augenblicklich jegliches Gefühl in seinem Arm. Die Pistole fiel klappernd auf den Boden und schlitterte in das Zimmer.
Im nächsten Moment ließ der Schurke auch schon sein Messer herabsausen. Die Klinge zielte schnurgerade auf Gabriels Bauch.
Gabriel drehte sich mit einem Ruck zur Seite, um dem Messer zu entgehen. Die Klinge sauste an ihm vorbei und bohrte sich in den Fußboden. Der Angreifer musste mit aller Kraft daran zerren, um sie wieder frei zu bekommen.
Gabriel nutzte die Gelegenheit und sprang auf. Er ballte ein paarmal seine tauben Finger, damit das Gefühl in sie zurückkehrte.
Der Angreifer bekam das Messer aus dem Dielenbrett frei und stürzte sich mit einem Satz erneut auf ihn.
Behände wich Gabriel zurück, um etwas Abstand zwischen sich und den Angreifer zu bringen, während er sich hektisch nach einer neuen Waffe umschaute. Aus dem Augenwinkel sah er den Tisch zu seiner Rechten am Ende des Flurs.
Mit seiner unverletzten Hand packte er einen der schweren silbernen Kerzenständer, die auf dem Tisch standen.
Der Albtraummann griff von neuem an. Er erwartete eindeutig, dass Gabriel den Rückzug Richtung Treppe antreten würde.
Seine einzige Chance lag darin, etwas Unerwartetes zu tun, schoss es Gabriel durch den Sinn.
Statt sich rückwärts zu bewegen, warf er sich zur Seite. Er prallte hart gegen die Wand. Der Angreifer wirbelte mit erschreckender Behändigkeit herum, doch Gabriel schwang den Kerzenständer bereits mit aller Kraft.
Der schwere Kerzenständer traf den Mörder kurz über dem Handgelenk am Unterarm. Der Mann stöhnte vor Schmerz auf. Klappernd fiel das Messer auf den Boden.
Gabriel holte abermals aus. Diesmal zielte er auf den Schädel seines Gegners. Instinktiv duckte sich der Mann und taumelte rückwärts. Gabriel setzte ihm nach.
Der Schurke wirbelte herum und eilte auf die Treppe ins Vestibül zu. Gabriel ließ den Kerzenständer fallen, hob das Messer auf und lief seinem Gegner hinterher.
Der Angreifer hatte gute drei Schritte Vorsprung. Er erreichte die Treppe und stürmte hinunter, eine Hand am Geländer, um nicht zu stolpern und kopfüber die Stufen hinunter zu fallen.
Er erreichte den Fuß der Treppe, riss die Haustür auf und floh in die Nacht hinaus.
All seine Instinkte drängten Gabriel, seine Beute zu verfolgen. Doch Logik und Vernunft brachen sich durch den Nebel seines Blutrausches Bahn. Er gelangte an den Fuß der Treppe und lief zur Tür. Dort blieb er einen Moment stehen und schaute hinaus auf die Straße, um herauszufinden, in welche Richtung der Angreifer geflüchtet war. Doch die Nacht und der Nebel hatten den fliehenden Mann verschluckt.
Gabriel schloss die Tür und eilte die Treppe hinauf zum Arbeitszimmer. Er drehte die Flamme der Gaslampe höher und löste den Knebel in Montroses Mund.
Montrose spuckte den Fetzen Stoff aus und sah Gabriel mit einem angewiderten Blick an.
»Ich habe versucht, Ihnen zu sagen, dass der Schurke durch die Verbindungstür zwischen diesen beiden Zimmern gegangen war.« Er deutete mit einem Kopfnicken auf
die Seitenwand des Arbeitszimmers. »Er ist nicht in den Flur hinausgegangen. Er hat Ihnen im Nebenzimmer aufgelauert.«
Gabriel betrachtete die Tür, die er zuvor ignoriert hatte, als er sich im Zimmer umgeschaut hatte. Er tadelte sich im Stillen dafür, dass er so sicher gewesen war, dass seine übersinnliche Wahrnehmung ihm schon die Hinweise liefern würde, die er brauchte, um das Versteck des Mörders ausfindig zu machen.
»Das wird mich hoffentlich lehren, mich nicht nur auf meine übersinnlichen Fähigkeiten zu verlassen«, sagte er.
»Übersinnliche Fähigkeiten sind kein Ersatz für Logik und gesunden Menschenverstand«, knurrte Montrose.
»Wissen Sie, Mr. Montrose, Sie klingen genau wie mein Vater, wenn Sie solche Sachen sagen.«
»Es gibt da etwas, das Sie wissen sollten«, sagte Montrose. »Wer immer es war, er hat dieses Foto vom Deckel der Truhe mitgehen lassen, das Sie mir gegeben haben. Ich habe gesehen, wie er es unter sein Hemd gesteckt hat, während er auf Sie gewartet hat. Er schien überrascht, es hier zu finden, aber er war eindeutig sehr erfreut darüber.«
30
»Was haben Sie der Polizei erzählt?«, fragte Venetia.
»Die Wahrheit«, antwortete Gabriel. Er trank einen tiefen Schluck von
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