Verzehrende Leidenschaft
war. Moiras Verstand sagte ihr, dass schon alles gut gehen würde, doch in ihrem Herzen hatte sie Angst vor einem folgenschweren Missgeschick.
Als Tavig aufstand und sie hochzog, um mit ihr zu einem lauschigen Plätzchen in dem nahe gelegenen Wald zu gehen, wehrte sie sich nicht. Selbst die wissenden Blicke der Männer störten sie nicht. In wenigen Stunden würde sich Tavig mitten im Kampfgewühl befinden und vor einem Mann stehen, der ihn um jeden Preis beseitigen wollte. Sie freute sich über die Gelegenheit, noch ein paar Worte unter vier Augen mit ihm zu wechseln.
»Hast du denn ein Gefühl, was morgen passieren wird?«, fragte sie, während er ein paar Decken auf dem Boden ausbreitete.
»Du meinst eine Vision?« Er setzte sich und zog sie neben sich.
»Aye. Ich hatte gehofft, deine Hellsichtigkeit würde dir zu Hilfe kommen, dich warnen oder dir Hoffnung verleihen. Siehst du denn gar nichts?«
»Ich sehe Iver tot.«
»Du klingst nicht so, als ob du dieser Prophezeiung Glauben schenken würdest.«
»Ich bin mir nicht sicher, ob es eine Prophezeiung ist. Ich will einfach, dass es dazu kommt. Das habe ich von dem Zeitpunkt an gewollt, als dieser Mistkerl meine Freunde ermordete. In meinem Kopf ist nur das Bild von Iver, wie er stirbt. In der Regel sind meine Ahnungen oder meine Visionen etwas ausführlicher. Weil es nur dieses eine Bild ist, fürchte ich, dass ich es mir ausgedacht habe. Jedenfalls hoffe ich sehr, dass es nicht nur Wunschdenken ist.«
»Ist Iver etwa auch hellsichtig?«
»Nay. Hast du befürchtet, er könnte vorhersehen, dass ich einen Angriff plane, und sich darauf einstellen?« Genüsslich löste er ihren Zopf und spielte mit ihrem dicken, welligen Haar.
»Du besitzt diese Gabe, warum dann nicht auch ein anderer aus deiner Verwandtschaft?«
»Stimmt, es hätte auch noch ein anderer diese seltsame Mischung aus Geschenk und Belastung abbekommen können, aber Iver hat sie nicht. Er hat mich sogar immer darum beneidet. Es war ziemlich seltsam, denn die meisten Leute fürchteten sich davor, oder sie nahmen es irgendwie hin. Iver hingegen hätte sich nichts so sehr gewünscht, obwohl er wusste, dass diese Gabe manchmal sehr unscharf ist und mir nicht immer zeigt, was passieren wird. Und wenn doch, dann auf Weisen, die mir oft wenig geholfen haben.« Er schloss sie in die Arme und ließ sich auf die Decken fallen, wobei er sie mit sich zog, sodass sie auf ihm zu liegen kam. »Aber ich bin nicht hier, um mit dir über Iver zu reden.«
»Ach nein?« Sie ließ die Hand unter sein Plaid gleiten und streichelte seine Schenkel. »Warum denn dann?«
»Mädchen, manchmal stellst du ausgesprochen törichte Fragen.«
Moira lachte, aber sobald Tavig sie küsste, verwandelte sich ihre scherzhafte Stimmung in Leidenschaft. Sie konnte es kaum erwarten, mit ihm zu schlafen; denn sie wollte unbedingt die letzten paar Stunden vor der Schlacht in seinen Armen verbringen und sich von ihrer Leidenschaft sämtliche Sorgen vertreiben lassen. Jeder weitere Schritt nach Drumdearg brachte sie auch dem Zeitpunkt näher, an dem sie ihn verlassen musste. Die Stunden, in denen sie für ein paar süße Erinnerungen sorgen konnte, wurden immer knapper.
* * *
Der Wächter stieß einen schmerzerfüllten Fluch aus und wich hastig aus der Reichweite der Peitsche, mit der Iver ihm einen Hieb auf den Rücken versetzt hatte. »Warum schlagt Ihr mich? Ich habe doch gar nicht geschlafen.«
»Das hättest du genauso gut tun können, du Narr!«, fauchte Iver und starrte fluchend über die Brustwehr hinweg in die Dunkelheit. »Du hast die Burg beobachtet. Aus dieser Richtung wird mein Cousin bestimmt nicht kommen.«
Der stämmige Mann versuchte vergebens, den brennenden Schmerz auf seinem breiten Rücken durch Reiben zu lindern. »Von woanders kommt er sicher auch nicht«, grummelte er.
»Ach so? Du weißt also, was mein Cousin vorhat?«
»Nay, aber verflucht noch mal – der Bursche rennt seit Monaten um sein Leben. Er hatte keine Zeit, ein Heer aufzustellen, und er hat bestimmt kein Geld für Söldner.« Finster in die Nacht starrend, kratzte sich der Mann seinen dicken Bauch. »Und selbst wenn er Mungan Coll dazu bringt, ihm zu helfen, hat er immer noch nicht genügend Leute, um diese Burg zu stürmen.«
»Wenn ich auf dich hören würde, müsste ich zu dem Schluss kommen, dass es die reine Geldverschwendung war, dich anzuheuern.« Iver grinste nur, als der Mann sich bemühte, seinen Wert mit prahlerischen Worten unter
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