Verzehrende Leidenschaft
meine Süße. Nur einen. Es gab nicht sehr viele Decken. Der Fischer hat vermutlich allein gelebt.«
»Wie traurig«, murmelte sie, während sie sich erhob und den Staub abklopfte.
»Stimmt. Er hat bestimmt ein sehr einsames Leben geführt.«
»Na ja, ich habe eher daran gedacht, dass jetzt keiner um ihn trauert, falls er wirklich tot ist. Ich finde, um jeden Verstorbenen sollten ein paar Tränen vergossen werden. Ein Mensch sollte vermisst werden, wenn er weg ist, sonst ist es doch so, als wäre er überhaupt nicht da gewesen. Das ist eine sehr traurige Vorstellung.«
»Habt Ihr denn Verwandte, die Euch vermissen würden?« Tavig war neugierig, welche Verwandten sie noch hatte, die vielleicht etwas weniger gemein und brutal waren als Sir Bearnard.
Moira zuckte zusammen, denn sie wusste, es würde wenn überhaupt nur wenige geben, und die würden bestimmt nicht lange um sie trauern. Sie bemühte sich, möglichst gelassen zu wirken, als sie erwiderte: »Ein paar gibt es schon.«
»Ach, meine arme kleine Moira«, sagte er leise, denn es war nicht schwer, ihre Lüge zu durchschauen. »Ich würde um Euch weinen.«
Der Gedanke, dass er das wirklich tun würde, berührte Moira so, dass sie nervös wurde und ihn stirnrunzelnd betrachtete. »Ihr seid ein alberner Kerl. Ihr wisst nicht, wer ich bin, Ihr kennt mich kaum einen ganzen Tag. So wenig, wie Ihr mich kennt, könnte ich genauso gut zu den Leuten gehören, denen die meisten Menschen einen frühen Tod wünschen würden. Und ob Ihr überhaupt in der Lage wärt, um mich zu weinen, weiß ich auch nicht. Da müsste ich schon recht bald dem Gevatter Tod erliegen, um sicherzugehen, dass Ihr noch am Leben seid, um mich zu betrauern. Auf Euch wartet der Henker, Tavig MacAlpin.«
»Ich neige nicht dazu, das zu vergessen. Doch wenn mich mein Schicksal tatsächlich vor Euch ereilt, werdet Ihr dann eine Träne für mich vergießen, wenn ich am Galgen baumle?«
»Was für ein närrisches Gespräch«, murrte sie und trat an ihr Nachtlager.
Sie machte es sich auf der kargen Schlafstätte bequem, und Tavig sah ihr lächelnd dabei zu. Allmählich verstand er die junge Frau. Sie hatte seine Frage nicht beantwortet. Das bedeutete, dass sie sie nicht glattweg verneinen konnte. Wenn man ihn zum Galgen führte, würde es Moira nicht kaltlassen, auch wenn sie selbst vielleicht nicht ganz verstand, warum.
Er häufte die Kohle in der Feuerstelle auf, sodass nur noch ein kleines Flämmchen übrig blieb, das die Nacht lang flackern würde. Viel Wärme würde das Feuer nicht spenden, doch es würde gefährliche oder auch nur neugierige Tiere fernhalten. Schließlich trat er an ihr gemeinsames Lager, setzte sich hin und zog seine Stiefel aus. Dann schlüpfte er unter die Decke und legte das grob geschmiedete Schwert, das er in der Kate des Fischers gefunden hatte, neben sich. Sein Messer schob er unter den Rand der Decke. Schließlich drehte er sich um und lächelte Moira an, die ihm betont den Rücken zugekehrt hatte. Er legte den Arm um ihre schlanke Taille.
Moira schob seinen Arm wieder weg, war jedoch einigermaßen beunruhigt, als ihr klar wurde, wie angenehm sich seine Nähe angefühlt hatte.
»Nichts dergleichen!«, meinte sie streng. »Bleibt auf Eurer Seite!«
»Darf ein Mann denn nicht mit seiner Braut kuscheln?«
Seine Nähe hatte in Moira ein warmes, fast berauschendes Gefühl geweckt, das sich bei seinen Worten jedoch sogleich wieder verflüchtigte. Ihr ging auf, dass sein ständiges Gerede, sie heiraten zu wollen, womöglich einen sehr durchtriebenen Grund hatte. Vielleicht wollte er sie ja dadurch, dass er immer wieder von Hochzeit sprach, dazu bewegen, nicht mehr so eisern über ihre Keuschheit zu wachen. Sie drehte sich zu ihm um und funkelte ihn böse an, wobei sie stillschweigend die Schatten verfluchte, die seinen Gesichtsausdruck verhüllten.
»Das ist also Euer Spiel, ja?«, fragte sie.
»Mein Spiel?« Als Tavig den Zorn in ihrer belegten Stimme hörte, fragte er sich, was er denn jetzt schon wieder falsch gemacht hatte.
»Aye, Euer Spiel. Ihr versucht, mich zu blenden, damit ich wie eine Metze handle. Ihr wollt mir einreden, dass Ihr mich heiraten werdet, nur damit ich denke, dass es keine allzu große Sünde ist, Euch zu erlauben, mit mir zu schlafen.«
»Aha, jetzt verstehe ich die verschlungenen Pfade Eurer Gedanken. Einen Moment lang habt Ihr mich ganz schön verwirrt. Falls ich wirklich nur auf eine kleine Liebelei aus wäre, würde ich niemals von
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