Verzehrende Leidenschaft
traute.
»Es tut mir leid«, erwiderte die Mutter des Kindes an seiner Stelle. »Wir waren verwirrt und überrascht. Wir hatten geglaubt, Euer Mann wollte unsere Kleine stehlen, doch dann erkannten wir, dass er ihr das Leben gerettet hat. Bevor wir begreifen konnten, was vorgefallen war, redeten die Leute schon von Hexerei, und dann nahm das Unheil seinen Lauf. Wir beschlossen, dass es sicherer wäre, abzuwarten und Euch später zu helfen, aus Craigmoordun zu entkommen.«
»Aber es könnte Euch Ärger einbringen«, sagte Tavig. »Habt Ihr Euch eine gute Erklärung für unsere Flucht einfallen lassen?«
»Aye«, versicherte der Wirt. »Wahrscheinlich wärt Ihr selbst bald darauf gekommen. Im Vorratsraum liegt genügend herum, was Euch bei Eurer Flucht hätte helfen können, und im Lauf der Zeit hättet Ihr es bestimmt auch dazu eingesetzt. Wir werden ein Fass unter die Luke rollen und sie dann entzweischlagen. Dort drunten liegt ein schwerer Holzhammer, den Ihr Euch bestimmt dafür geholt hättet. Ich lasse mir noch einen kleinen Kinnhaken verpassen, damit ich behaupten kann, Ihr hättet mich überwältigt. Keine Sorge, ich werde erst in ein paar Stunden lauthals verkünden, dass Ihr verschwunden seid. Trotzdem solltet Ihr jetzt zusehen, dass Ihr aufbrecht und so weit wie möglich kommt. Am besten lasst Ihr das Land von Craigmoordun möglichst schnell hinter Euch, dann kann Euch nichts mehr passieren.«
»Woher weiß ich denn, dass ich mich nicht mehr auf dem Land von Craigmoordun befinde?«
»Wenn Ihr nach Norden geht und einen kleinen Fluss überquert, habt Ihr den verwünschten Ort hinter Euch gelassen. Ich würde noch ein paar Meilen weitergehen, nur um ganz sicher zu sein, aber ich glaube nicht, dass jemand nach Euch den Fluss überqueren wird. Wie schon gesagt, wir sind umringt von Feinden.« Der Wirt überreichte Tavig seine Waffen.
»Wäre es nicht klüger zu warten, bis es dunkel ist?«
»Aye, aber die Leute haben einen Wächter für Euch bestimmt. Sie glaubten, ich würde auch einmal ausruhen müssen, und haben einen recht stämmigen Burschen ausgewählt, der die ganze Nacht hier sitzen soll. Ihr müsst sofort weg.«
»Dann zeigt mir eine Tür, aus der wir uns unbemerkt hinausstehlen können. Danke, dass Ihr uns diese Chance gegeben habt.« Als Tavig Moiras Hand ergriff und dem Wirt folgen wollte, streckte ihm die Mutter des kleinen Mädchens zwei Säcke entgegen »Was ist das denn?«, fragte er, während er einen davon entgegennahm und Moira ein wenig misstrauisch den anderen.
»Essen für Eure Reise«, erwiderte die Frau. »Ich habe auch ein Paar Schuhe und einige Kleidungsstücke für Eure Frau hineingesteckt. Ich glaube, sie müssten ihr passen.« Die Frau musterte die zarte Moira ein wenig abschätzig. »Es war gar nicht so einfach, etwas für eine so kleine Person aufzutreiben.«
Tavig wurde unruhig, als die Frau Moira genauer betrachtete. Wenn sie sie zu eingehend begutachtete, erkannte sie bestimmt, dass Moria trotz ihres Aufzugs keine Bettlerin war. Sie hatte zwar Schwielen an Händen und Füßen, aber alles andere wies auf eine begüterte Herkunft hin. Tavig wollte den Leuten keinen Anlass zu weiteren Fragen oder Argwohn liefern.
»Danke, Mistress. Wir haben solche Dinge bitter nötig, egal, ob sie nun passen oder nicht. Doch jetzt müssen wir los, Moira«, meinte er und zog an ihrer Hand, wobei er dem Wirt mit einem Wink zu verstehen gab, dass sie nun zum Aufbruch bereit seien. Er funkelte Moira grimmig an, als sie sich noch einmal von ihm losriss.
»Danke, Mistress«, sagte auch Moira, stellte den Sack ab und umfasste die Hand der Frau.
Sobald sich ihre Hände berührten, merkte Moira, dass sie einen Fehler begangen hatte, womöglich sogar einen schweren Fehler. Die schwielige Hand, die sie ergriffen hatte, war schmerzverkrampft, und die müden Augen der Frau wurden groß, als die Berührung ihren Zauber verbreitete. Moira versuchte, der Frau mit einem eindringlichen Blick zu verstehen zu geben, dass sie doch bitte für sich behalten sollte, was da soeben geschah, bis sie ihr unabsichtlich begonnenes Werk zu Ende gebracht hatte. Sobald sie den Eindruck hatte, dass ihre Gabe nichts weiter bewirken konnte, ließ sie die Hand der Frau los, schulterte wortlos ihren Sack und folgte Tavig.
* * *
Flora Dunn starrte dem Paar nach, das nun eilig davonlief, dann begutachtete sie ungläubig ihre Hand. Sie schloss sie langsam zur Faust und öffnete sie wieder, bis sie merkte, dass ihre ganze
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