Verzehrende Leidenschaft
schrie leise auf, als sie die bittere Kälte des Wassers spürte. Rasch legte sie sich den kleinen Sack, den sie trug, auf den Kopf und hielt ihn dort mit einer Hand fest. Den ganzen Weg durch den kleinen Fluss murrte und schimpfte sie, auch wenn Tavig sich über sie lustig machte. Die Klagen halfen ihr, die Angst zu bändigen, als ihr in der Mitte des Flusses das Wasser bis zur Taille reichte und die Kälte durch alle Glieder drang.
»Na bitte, schon sind wir wieder an Land und in Sicherheit«, meinte Tavig endlich und half ihr, die moosbewachsene Uferböschung zu erklimmen.
»Aye, aber die Kälte ist mir durch Mark und Bein gegangen.« Sie legte den Sack auf den Boden und wrang ihre Röcke aus.
»Es war ein bisschen frisch.«
»Frisch! Es war pures Eis, das vergessen hat, fest zu werden. Wir werden beide ein Fieber bekommen und sterben.«
»Nay, die Sonne ist warm und der Himmel wolkenlos. Wir sind bestimmt bald wieder trocken.«
Er nahm sie bei der Hand und ging einen steinigen Hang hinauf, der an einem dichten Wald endete. Moiras Klagen waren für sie nur eine Möglichkeit, ihre Angst zu verbergen, das hatte er rasch gemerkt. Ansonsten zauderte sie nie und zeigte eine überraschende Stärke. Das war ihm auch in dem Dorf bewusst geworden, als sie statt zu fliehen versucht hatte, ihm zu helfen. Doch dass sie nun von Fieber redete, machte ihm etwas Sorgen, auch wenn er wusste, dass sie bei jedem neuen Hindernis gern ihrer beider Tod vorhersagte.
Sobald er das eisige Wasser gespürt hatte, hatte er sich gefragt, wie es ihr wohl damit ergehen würde. Trotz ihrer Willensstärke war Moira eine zarte Frau, gertenschlank und klein. Tavig wollte möglichst rasch einen neuen Lagerplatz finden und dort gleich ein Feuer entfachen, an dem sie sich wärmen und ihre Kleider trocknen konnten. Wenn er doch nur ein Pferd hätte stehlen können, um den Rest ihres Weges etwas bequemer und schneller zurückzulegen! Aber es war wahrhaftig schon riskant genug gewesen, mitten an einem sonnenhellen Nachmittag zu fliehen. Nun würden sie wohl noch eine Stunde weitermarschieren müssen, bis es sicher genug war, ein Lager aufzuschlagen. Bis dahin hatte sich die Kälte des Wassers womöglich so sehr in Moiras zartem Körper festgesetzt, dass ihre Gesundheit tatsächlich gefährdet war.
Doch es dauerte noch fast zwei Stunden, bis Tavig einen geeigneten Platz für ihr Nachtlager gefunden hatte. Die Sonne ging gerade unter, und es wurde rasch kühl. Von der kleinen Lichtung mitten in dem dichten Wald führte ein gut zu erkennender Pfad zu den steinigen Bergen im Norden. Der Fleck war fast perfekt. Wenn sie hier jemand aufstöberte, bestand immerhin die Möglichkeit, es in die Berge zu schaffen, wo sie ihre Verfolger auf alle Fälle abschütteln konnten. Tavig machte sich sogleich daran, eine kleine Grube auszuschaufeln und ein Feuer zu entfachen, denn Moira bemühte sich zwar, es vor ihm zu verheimlichen, doch sie zitterte am ganzen Leib.
»Zieht die nassen Kleider aus, Mädchen«, befahl er und kauerte sich vor den Haufen dürrer Zweige, um seinem Feuerstein einen Funken zu entlocken, den er vorsichtig mit trockenen Spänen nährte.
»Ich soll meine Kleider ausziehen?« Moira musterte ihn finster, als sie den Sack auf dem Boden abstellte. »Kommt nicht infrage.«
»Hier ist niemand, der Euch sehen könnte, Liebes. Wir sind ganz allein.«
»Ihr seid hier.«
»Ich schaue nicht hin.« Er stand auf, zog eine dünne Decke aus dem Beutel, den er in der Kate des Fischers gepackt hatte, und trat zu ihr. »Ich werde die Decke hochhalten, während Ihr Euch auszieht, und dann könnt Ihr Euch darin einwickeln.« Als sie noch immer zögerte, schimpfte er: »Ihr müsst wieder warm und trocken werden, Liebes, und das könnt Ihr nicht, wenn Ihr in Euren nassen Kleidern herumsteht.« Er drehte den Kopf weg. »Zieht Euch aus!«
Tavig bemühte sich angestrengt, nicht hinzusehen, aber schließlich fand er, dass man so etwas von einem Mann nicht verlangen konnte. Das leise Geräusch, als sie aus ihren Kleidern schlüpfte, ließ sich schlicht nicht ignorieren. Er hoffte nur, sie würde es nicht als allzu großen Vertrauensbruch werten, wenn er einen kurzen Blick riskierte. Er wollte seine kärglichen Fortschritte in diesem Augenblick ihrer Unaufmerksamkeit nicht zunichtemachen, nur weil er der Versuchung nicht widerstehen konnte.
Als er einen kurzen Blick auf Moira warf, atmete er so scharf ein, dass er kurz befürchtete, sich verraten zu haben. Sie
Weitere Kostenlose Bücher