Verzehrende Leidenschaft
Trotzdem war sie noch immer auf der Hut. »Damit mich dann meine elenden Verwandten an ihn aushändigen können?«
»Nay, Mädchen, das würde ich nie zulassen.«
Mungans Blick schweifte mehrmals zwischen Tavig und Moira hin und her, dann lief er dreimal um sie herum, bis er schließlich wieder vor ihnen zum Stehen kam. »Wenn ich’s mir genau überlege, erscheint es mir tatsächlich ein wenig seltsam, dass die Robertsons einen meiner Verwandten mit dem Lösegeld schicken. Du musst mir erzählen, wie du in diese Geschichte verwickelt worden bist, Tavig.«
»Ich bin jedenfalls nicht hier, um dir Moira als Lösegeld zu überbringen.« Tavig legte den Arm um Moiras schmale Schultern. Er freute sich, dass sie sich nicht verspannte oder zurückwich, auch wenn sie noch ziemlich verärgert wirkte. »Moira ist hier, weil sie mit mir unterwegs ist.«
»Mit dir?«, brummte Mungan, dann verfinsterte sich seine Miene, und er brüllte: »Hast du etwa mit meiner Braut geschlafen?«
»Mungan, nur weil du beschlossen hast, Moira als deine Braut zu bezeichnen, ist sie das noch lange nicht.«
»Nay«, murrte Moira. »Dieses Privileg steht nur Sir Tavig MacAlpin zu.«
Tavig ging über ihre Bemerkung hinweg, anders als sein Cousin, wie er verdrossen feststellen musste. Mungan hatte offenbar beschlossen, seine Schläue einzusetzen. In sein dunkles, eckiges Gesicht trat ein Ausdruck von Neugier und Nachdenklichkeit, als er Moira eingehend musterte. Tavig wusste, dass er Moira dazu bringen musste, ihre Worte sorgfältiger abzuwägen.
»Cousin, sie gehört mir«, sagte Tavig und zog Mungans Aufmerksamkeit wieder ganz auf sich. »Sie und ich sind vom Schicksal füreinander bestimmt.«
»Aha, so sieht das aus. Hast du das etwa so kommen sehen, Cousin?«
»Aye.«
»Nun denn, setzt euch erst einmal zu mir.« Er legte seinen kräftigen Arm um Tavigs Schultern und führte ihn zu dem langen, mit einem Leinentuch bedeckten Tisch am hinteren Ende der Halle.
»Wir haben wirklich einen gehörigen Hunger.« Tavig zog Moira mit sich. »Wenn ich dir alles berichtet habe, was in den letzten zwei Wochen oder vielmehr im letzten Monat vorgefallen ist, wirst du die Sache viel klarer sehen.«
Mungan ließ sich auf dem schweren Eichenstuhl in der Mitte des Tisches nieder, Tavig setzte sich auf die Bank zu seiner Rechten und hieß Moira, sich neben ihn zu setzen.
»Wo haltet Ihr Una fest?«, wollte Moira wissen.
»Sie festhalten? Dieses Weib kann man nicht festhalten.« Mungan blickte finster auf die Tür der Großen Halle. »Sie kommt schon wieder zu spät zum Essen. Eure Cousine ist eine sehr widerspenstige Frau, sie kann einen Mann ganz schön fordern.«
»Ihr habt ihr doch nichts zuleide getan, oder?« Moira war etwas überrascht, wie gekränkt Mungan auf diese Frage reagierte.
»Nay, ich habe nie die Hand gegen das törichte Mädchen erhoben, außer, als ich sie hierherbrachte. Die Frauen Eurer Familie halten nicht viel von den Männern, stimmt’s?«
»Sie haben ihre Gründe dafür«, warf Tavig ein.
»Was machst du denn hier?«, kreischte auf einmal eine Stimme, die Moira wohlbekannt war.
Moira erhob sich, um Una zu begrüßen, aber da der Blick, mit dem ihre kurvenreiche Cousine sie bedachte, alles andere als freundlich war, setzte sie sich gleich wieder. Una wirkte nicht wie ein notleidendes Entführungsopfer, nein, im Gegenteil, sie sah ausgesprochen gesund aus und war elegant gekleidet. Bevor Moira die missbilligende Frage ihrer Cousine beantworten konnte, erbleichte Una, drückte sich an die graue Steinmauer neben der Tür und sah sich um.
»Ist mein Vater auch hier?«, fragte sie mit ängstlich bebender Stimme.
»Nay«, erwiderte Moira. »Ich bin allein gekommen. Na ja, eigentlich zusammen mit Sir Tavig MacAlpin.« Moira deutete mit dem Kopf auf Tavig.
»Dem Mann, dem diese bestialischen Morde vorgeworfen werden?« Una richtete sich auf, strich über ihre dicken blonden Zöpfe, um sich zu vergewissern, dass sie noch ordentlich geflochten waren, und begab sich zu dem leeren Platz auf der Bank links von Mungan.
»Aye«, gab Mungan zu. »Aber ich habe Euch ja schon gesagt, dass er es nicht getan hat. Der Junge besitzt einfach nicht die dafür nötige Bösartigkeit. Es war unser anderer Cousin, Iver MacAlpin, dieser heimtückische Schuft.«
»Dann bist du also mit dem da hierhergekommen?« Una musterte Moira und Tavig mit zusammengekniffenen Augen, bevor sie sich setzte.
Moira verstand nicht recht, warum Una so angriffslustig
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