Verzehrende Sehnsucht
zu beschützen, ebenso ernst nehme wie meinen Schwur, dem König gegenüber loyal zu sein."
Becca wollte nicht zurückweichen. Selbst dann nicht, wenn seine Nase mit der ihren in Berührung kam. "Selbst wenn ich Euren Schutz gänzlich ablehne?"
"Das könnt Ihr zwar versuchen, Mylady, aber ich werde nicht Euretwegen meinen Eid brechen."
Als sie so voreinander standen und sich zornig anstarrten, wurde Becca plötzlich etwas klar. Es war sehr lange her, dass irgendjemand – abgesehen von ihrer Familie – es gewagt hatte, so freimütig mit ihr zu sprechen. Selbst ihr Vater war niemals so zornig gewesen. Sir Blaidds Wut machte weder Halt vor ihrem Rang noch vor ihrem Geschlecht oder vor ihrer Behinderung. Er behandelte sie, als wenn sie ihm ebenbürtig wäre.
Und eine weitere Einsicht folgte der ersten. Becca erinnerte sich daran, wie Sir Blaidd seinen Knappen angeschaut hatte, als er auf Trev zugelaufen war. Genauso hatten sich einst zwei Rivalen um Laelias Hand angeblickt.
Sir Blaidd konnte doch unmöglich eifersüchtig sein? Ihretwegen? Der Gedanke brachte sie gegen ihren Willen zum Lachen.
Sir Blaidd sah sie finster an. "Ich amüsiere Euch, Mylady?"
Sie wollte nicht zugeben, dass sie vermutet hatte, er könne eifersüchtig sein. Sonst würde er sie womöglich auslachen. Trotzdem, auch die leiseste Ahnung, dass er doch eifersüchtig sein könnte, verlieh ihr eine gewisses Maß an Selbstvertrauen.
"Ich finde es erfreulich, dass Ihr keine Skrupel habt, wütend auf mich zu werden", gab sie geradeheraus zu. "Viele Männer behandeln mich wie ein zerbrechliches Kind."
"Ich weiß nur zu gut, dass Ihr kein Kind mehr seid, Mylady", entgegnete er mit samtener Stimme.
Becca war sich sicher, dass er im Moment nicht beabsichtigte, sie zu verführen. Trotzdem reagierte ihr Körper auf ihn, genauso wie damals in der Kapelle. Sie spürte, wie Begehren sie durchflutete. Es war überwältigend.
"Ich bin froh, das zu hören", antwortete sie und versuchte, dieses hartnäckige und starke Gefühl zu unterdrücken. "Daher, Sir Ritter, erwarte ich von Euch, dass Ihr mich tun lasst, was immer mir gefällt."
"Ich möchte Euch daran erinnern, Mylady, dass mir mein Eid dies verbietet. Auch wenn Ihr meint, darauf bestehen zu müssen, Euren Hals zu riskieren, werde ich alles in meiner Macht Stehende tun, um Euch vor Gefahren gleich welcher Art zu schützen. Ob es Euch nun passt oder nicht. Und jetzt wünsche ich Euch einen guten Tag – es sei denn, Ihr plant einen weiteren Ausritt."
Er entfernte sich wutschnaubend, und Becca fragte sich, ob Laelia überhaupt zu schätzen wusste, dass ihr dieser Mann den Hof machte. Sir Blaidd war bedeutend mehr wert als zwanzig dieser Narren, die vor ihm hergekommen waren.
7. Kapitel
Blaidd wischte sich mit dem Handrücken den Schweiß von der Stirn und beugte sich wieder vor. Er wiegte sich in den Hüften und bereitete sich darauf vor, mit dem Breitschwert zuzuschlagen, das er mit beiden Händen festhielt. Blut sickerte aus dem Schnitt auf seiner nackten Brust, den Dobbin ihm zugefügt hatte, als Blaidd ein bisschen zu langsam auf einen Ausfall des erfahrenen Kriegers reagiert hatte. Blaidd hätte es besser wissen müssen. Wie Blaidds Vater und Sir Urien war auch Dobbin trotz seines Alters immer noch ein starker und kräftiger Mann und verstand sich ausgezeichnet aufs Kämpfen. Er verfügte über viel Erfahrung, und bisher hatte keiner von Blaidds gewöhnlichen Finten gegen den älteren Mann etwas ausrichten können.
In der kühlen Morgenluft war Dobbins Atem zu sehen. Der ältere Mann lief um Blaidd herum. Blaidd drehte sich langsam im Kreis und hielt den Blick fest auf seinen Gegner gerichtet. Er behielt das Schwert des Mannes im Auge, wartete darauf, dass es sich senkte, was Müdigkeit andeuten würde. Dobbins Schultern waren entspannt. Er hatte sie im Gegensatz zu unerfahrenen Kämpfern nicht bis zu den Ohren hochgezogen. Es war eindeutig: Dieser Mann hatte schon unzählige Kämpfe ausgestanden und absolutes Vertrauen in seine Fähigkeiten. Er bewegte sich langsam und behutsam, machte nicht die sprunghaften Schritte eines nervösen Kämpfers. Alles in allem war Dobbin ein würdiger Gegner, mit dem man rechnen musste.
"Worauf wartest du?" hörte Blaidd Trev murmeln, der gemeinsam mit einer Gruppe Krieger den Kampf beobachtete.
Blaidd wurde kurz wütend, sammelte sich aber schnell wieder. Er würde nicht in Rage geraten und sich erneut wie ein Ungeheuer benehmen. So wie vor vier Tagen,
Weitere Kostenlose Bücher