Verzehrende Sehnsucht
Doch sie dachte zugleich an ihre Schwester. Sie wollte ihr keinen unnötigen Schmerz zufügen. "Ich fürchte, mein Vater und auch Laelia könnten darüber äußerst verärgert sein."
Blaidd strich ihr langsam über den Rücken. "Ja, das glaube ich auch. Laelia wird sich bestimmt ärgern. Aber ich denke nicht, dass das lange anhält. Bald wird der nächste Bewerber um ihre Hand aufkreuzen und ihr den Hof machen. Und was Euren Vater anbelangt – er scheint mich zu mögen, oder etwa nicht?"
"Ja."
"Warum sollte es ihm dann etwas ausmachen, welche seiner beiden Töchter ich heiraten möchte?"
"Da habt Ihr vermutlich Recht. Trotzdem. Ich möchte, dass … wir so wenig Ärger und Aufsehen wie möglich erregen. Ich glaube, es wäre besser, wenn Ihr Eure Sinneswandlung zuerst bekannt geben würdet. Ihr könntet sagen, dass Ihr und Laelia wohl nicht zusammen passtet, und dann erst einmal abreisen. Nach einer Weile könntet Ihr dann wieder zurückkehren und uns einen weiteren Besuch abstatten. Da mein Vater und Ihr euch so gut versteht, sollte das kein weiteres Misstrauen erregen." Becca lächelte glücklich. "Dann könntet Ihr mit Gottes Segen mich entdecken. Vielleicht wird dann bereits ein anderer Mann um Laelia werben. Auf diese Weise blieben uns allzu große Probleme erspart."
Blaidd wurde nachdenklich. "Ihr scheint das alles schon durchdacht zu haben."
"Nein. Ich habe halt eine schnelle Auffassungsgabe und kann gut kombinieren."
"Das stimmt in der Tat. Daher werde ich es genau so machen, wie Ihr vorgeschlagen habt. Ich glaube aber nicht, dass ich überstürzt abreisen sollte. Das könnte Misstrauen erregen."
"Da habt Ihr wiederum Recht. Wie wäre es, wenn Ihr in einer Woche abreistet?"
"Das ließe Laelia Zeit, von ganz allein festzustellen, dass meine Gefühle für sie nicht so sind, wie sie es für eine Eheschließung sein sollten. Und was mir dabei noch am besten gefällt, Mylady – ich kann die Zeit außerdem nutzen, um Euch noch besser kennen zu lernen. Obwohl meine Gefühle für Euch", flüsterte er und neigte sich ihr zu, "schon jetzt ganz erstaunlich sind."
Sie küssten einander erneut und vergaßen wieder Zeit und Raum, bis ein Geräusch aus der Kammer hinter ihnen sie jäh zusammenzucken ließ.
"Ach du meine Güte! Ich glaube, Trev ist aus dem Bett gefallen", sagte Blaidd und ließ Becca abrupt los.
"Und ich sollte lieber gehen, bevor uns noch jemand sieht", erwiderte Becca, der plötzlich klar wurde, was passieren würde, wenn das geschah.
Sie hatte keine rechte Vorstellung davon, wie lange sie mit Blaidd zusammen gewesen war. Ob Laelia schon zu Bett gegangen sein mochte oder auf sie wartete und sich fragte, wo Becca war und was sie tat?
Laelia würde es zwar niemals erraten, in tausend Jahren nicht, aber trotzdem war Becca nicht in der Verfassung, irgendjemandem irgendetwas zu erklären.
"Dann bis morgen", flüsterte Blaidd und küsste sie schnell noch einmal.
"Bis morgen", entgegnete sie leise, als er in die Kammer ging.
Obwohl Becca humpelte, als sie sich auf den Weg machte, hatte sie das Gefühl, vor lauter Glück zu tanzen.
Was sie auf gewisse Art und Weise auch tat.
Trev war nicht aus dem Bett gefallen. Er hatte im Schlaf beim Herumdrehen den Leuchter vom Nachttisch geworfen.
Blaidd war erleichtert. Er lehnte sich von innen gegen die geschlossene Tür und atmete langsam aus.
Guter Gott, was hatte er gerade getan?
Becca war wirklich erstaunlich. Doch auch wenn er all das für sie empfand, er war auf Befehl des Königs hierher gekommen. Bei diesem Besuch ging es nicht um ihn, sondern um Henry.
Er hätte sich nicht verlieben dürfen. Doch – es war geschehen. Das sagten ihm sein Herz und sein Gefühl.
Und was die ganze Angelegenheit noch schlimmer machte – er hatte sich in eine Frau verliebt, die vielleicht die Tochter eines Verräters war.
Was würde geschehen, wenn ihr Vater schuldig war? Dann würde Lord Throckton verhaftet, des Verrats beschuldigt und geköpft werden, und er – Blaidd – wäre dafür verantwortlich.
Was würde Becca von ihm halten, wenn sie erfuhr, dass er schuld am Ruin ihres Vaters war? Würde sie ihn dann überhaupt noch lieben können?
Und was würden Henry und seine eigenen Eltern sagen, wenn er die Absicht kundtat, die Tochter eines Verräters zu heiraten? Kein Adeliger sollte sich so eine Frau als Eheweib wünschen.
Blaidd fuhr sich mit den Händen durchs Haar, dann ließ er sich schwer aufs Bett fallen. Vielleicht machte er sich Sorgen wegen
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