Verzeihung, sind Sie mein Koerper
Sie, ich bekam meine erste Banane. Es war nach dem Krieg und es gab üblicherweise keine Bananen. Es war eine Sensation.« Ich weiter: »Warum bekamen Sie diese Banane, war das ein besonderer Tag?« Er: »Ah ja, richtig, das war der Tag, an dem mein Vater gestorben ist. Er ist verunglückt, abgestürzt.« Pause â Stille â Tränen â Begreifen der Zusammenhänge. Ich löste das Schicksal von Herrn B. aus dem Schicksal seines Vaters.
Kurze Zeit später konnte Herr B. ohne jede Unterstützung gehen. Das hat bis heute angehalten. Es ist jetzt vier Jahre her.
Ich habe daraus gelernt, den Aussagen meiner Klienten â bei allem Respekt â nicht immer zu glauben. Wenn eine Position von den anderen Positionen als zentral erkannt wird, wenn diese Position sich in einen Aspekt der Biografie verwandelt, dann handelt es sich um eine Schlüsselposition. Wenn Ihre Klienten ratlos ins Leere schauen, so, als ob sie gerade aufgeweckt worden wären, dann haben Sie bitte Geduld. Bleiben Sie still und beharrlich. Drängen Sie nicht, es kommt heraus,
Schicht um Schicht in dem Tempo, in dem das Unbewusste Ihrer Klienten bereit ist, die Information freizugeben.
Die Antworten von Herrn B. auf meine Fragen sind ein wunderbares Beispiel dafür, welche schonenden Umwege das innere Wissen eines Menschen geht, um den Schock des Erkennens so abzufedern, dass dessen Inhalt angenommen werden kann.
Herr B. erzählte später, dass er, als sein Vater gestorben war, von den Todesritualen seiner Familie völlig ferngehalten worden war. Niemand sprach mit ihm darüber, niemand erklärte etwas. Dem ratlosen Kind von damals blieb nur der Weg der Verdrängung zur Bewältigung seines einsamen Schmerzes. Aus meiner Sicht hat Herr B. das Sterben seines Vaters in sich wachgehalten, um mit ihm in Kontakt zu bleiben. Nun flieÃt zwischen Vater und Sohn Liebe und keine verbindende Last muss mehr festgehalten werden.
Die anorektische Frau
Frau C. meldete sich an zu einem Wochenendseminar. Sie erklärte mir schon am Telefon, was sie alles nicht essen könne und dass sie sich besser selbst etwas Obst mitbringen würde.
Es kam eine extrem magere, fahrige junge Frau mit riesigen, wunderschönen Augen. Sie erzählte, dass sie seit ein paar Jahren groÃen Widerwillen gegen fast jede Nahrung spürte, einfach »nichts hinunterbringen« könne. Sie meldete sich, sehr tapfer, gleich als Erste zur Aufstellung und wählte folgende Positionen:
â Fokus,
â ich bringe nichts hinunter,
â das, was dahinter steht,
â das, was heraushilft.
Aus der Position dessen, »was dahinter steht«, entwickelte sich sehr bald die wichtigste Liebesbeziehung ihres Lebens. Sie lebte mit dem Mann jahrelang zusammen. Langsam hatte ein schmerzhafter Entfremdungsprozess begonnen, unter dem sie sehr litt. Eines Tages gab es einen groÃen Streit zwischen den beiden und sie zog aus. Ein paar Tage später war der Mann tot. Keine Versöhnung, kein Abschied. Ab da wollte sie ihr Leben nicht mehr leben, wollte ihm nach. Das alles fächerte sich auf im Zuge der Aufstellung. Die Position dessen, »was heraushilft«, war die Ahnung eines vollzogenen Abschieds und eines Neuanfangs. In einem sehr intensiven Ritual verabschiedete sie sich von ihrem Geliebten und ging auf ihr neues, eigenes Leben zu.
Die Aufstellung fand am Vormittag statt. Zu Mittag aà diese Frau ein Schnitzel mit groÃem Appetit. Die ganze Gruppe feierte dieses Mahl. Die Ãbelkeit, die sie bis dahin beim Essen empfunden hatte, verlor sich auf dem Weg in ihr eigenes Leben. So blieb es fast ein Jahr, und sie war selig. Dann stellten sich andere Beschwerden ein, ohne wirklichen Befund. Sie aà zwar, konnte aber beispielsweise nicht schlafen und Ãhnliches. Eine Symptomverschiebung? Ein Rückfall in ihre Geschichte? Ich weià es nicht. Sie meldete sich zwar immer wieder am Telefon, aber ich sah sie nicht wieder.
Wieder einmal habe ich die Erfahrung gemacht, wie wichtig es ist, den Klientinnen genau zuzuhören. Denn oft nennen sie bereits im Vorgespräch wesentliche Aspekte der kommenden Aufstellung. So wie in diesem Fall, als die Klientin den Satz sagte: »Ich bringe nichts hinunter« â und meinte: »Ich bring es nicht hinunter, dass mein geliebter Freund so von mir gegangen ist.«
Wenn solche markanten Sätze gesagt werden, ist es empfehlenswert, die Worte aufzugreifen und gleich
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