Verzeihung, sind Sie mein Koerper
einen, der dem Bewusstsein um unsere Zugehörigkeit zur Materie entspricht.
Im »normalen« Leben scheinen sich die beiden Bewusstseinsbereiche zu überlappen und zu durchdringen und können auf diese Weise schwer isoliert wahrgenommen werden. Wenn aber der Körper sich in seinem Bewusstsein im Zuge einer existenziellen Erkrankung ganz eng zusammenzieht, dann scheint der Geist ein freies Potenzial zu sein, das den Körper am Leben erhält, damit der Weg gegangen werden kann bzw. der Körper in seinem Kern die Sinnhaftigkeit seiner Verfassung erkennt, um den Weg zu ertragen. In so einem Fall sind Geist-Ebene und Körper-Ebene fast wie voneinander isoliert wahrnehmbar. Ich nenne sie das »freie« und das »gebundene Bewusstsein«.
Eines Tages, im November 2005, traf ich Christoph, einen Maler-Freund, der mit Schwerbehinderten arbeitet. Selbst ein begabter Maler, leitet er mit dem ganzen Einsatz seiner Persönlichkeit eine »Malklasse« in einem Tagesheim für Behinderte. Ich erzählte ihm von meinen Ãberlegungen, was das Geist-Körper-Verhältnis von Behinderten betraf, und von meinem Wunsch, tiefer in dieses Thema einzusteigen. Er war offen dafür und ab Februar 2006 begann ich, einmal in der Woche in seiner Malklasse mitzuarbeiten.
Die Arbeit begann mit einer wesentlichen Erkenntnis: Die Leiterin des Heims erklärte mir, dass ihre Klienten aus unserer Sicht zwar behindert, aber in ihrer eigenen Realität vollständige Menschen und auch als solche zu behandeln seien. Dieser Zugang berührte mich sehr und erinnerte mich an die Aussagen der Repräsentanten von Behinderten in den Familienaufstellungen.
Christoph wählt aus der Malgruppe zwei seiner Klienten, Greti, Ende 50, und Hubert, in ähnlichem Alter, mit denen wir hauptsächlich arbeiten werden.
Drei Tage, bevor ich beginne, mit ihnen direkt Kontakt aufzunehmen, stellen wir für beide auf, um eine Ahnung von der Art ihrer inneren Thematik zu bekommen. Für Greti stellen wir folgende Positionen:
â Greti in ihrem gebundenen Bewusstsein,
â Greti in ihrem freien Bewusstsein,
â Christoph als Bezugsperson.
Für Hubert wählen wir dasselbe Format. Christoph stellt auf, ich gehe in die Positionen.
Gretis gebundenes Bewusstsein fühlt sich bleiern, gefesselt und elend an, wie in einen Panzer gepfercht. Christoph schickt mir â als Repräsentantin von Greti â mental Farben zur Unterstützung, ein wunderbares Blau beruhigt und bedeckt mich, ein Orange belebt. Das Orange siedelt sich im Herzbereich an. Die Visualisation von Farben ist eine effektive therapeutische MaÃnahme, um vage Bewusstseinsinhalte zu erfassen.
Zu Christoph hat das gebundene Bewusstsein einen vertrauensvollen, zum eigenen freien Bewusstsein keinen Bezug.
Das freie Bewusstsein weià von einem sehr frühen, schweren Trauma in Gretis Leben und von ihrem Entschluss, sich durch Rückzug in ihre Behinderung vor der Welt zu retten.
Huberts gebundenes Bewusstsein fühlt sich ähnlich schlimm an, sein freies Bewusstsein hingegen ist ein wunderbarer gelbgoldener Lichtstrahl, völlig frei und teilt uns mit, dass Hubert sein Leben in dieser Form »gewählt hat«, sich innerlich wie dafür entschieden hat.
Drei Tage später beginne ich im Heim zu arbeiten, nicht ohne vorher die Sachwalter um Erlaubnis gebeten zu haben. Nach den ersten gemeinsamen Stunden hole ich mir auch von Greti und Hubert eine Einwilligung.
Eine Ãberraschung erwartet Christoph und mich. Wir kommen
in das Malatelier der Gruppe und sehen als Erstes auf einer Staffelei ein groÃes Bild â ganz in dem wunderbaren Blau, das Christoph mir geschickt hatte, als ich in Gretis Rolle des gebundenen Bewusstseins stand â mit einem orangenen Flämmchen im Zentrum: exakt, was ich erlebt hatte.
Was war geschehen? Inge, eine Klientin aus dieser Malgruppe, die üblicherweise ausschlieÃlich Gesichter malte, hatte über das Wochenende dieses Bild gemalt â zur Verblüffung aller.
Als ein Teil dieser Klientengruppe war sie offen für die Informationen und Veränderungen in dem Gruppenfeld und stellte das dar, was sie über das gemeinsame Feld erreichte. Repräsentierend für Greti hat Inge die Informationen der vorangegangenen Aufstellung sichtbar gemacht.
Anders war es bei Hubert. Er hat offenbar direkt Aspekte seiner Aufstellung aufgenommen. Bisher hatte er meistens nur in Schwarz, manchmal
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