Verzeihung, sind Sie mein Koerper
Bewusstsein, der Körper beginnt sich partnerschaftlich in seinem Tempo anzuvertrauen. Sie kann ihre Hände selbst auf Anfrage öffnen und lacht jedes Mal stolz dabei. Ihre Ellbogenbereiche werden lockerer. Sie sitzt nun mit seitlich auf den Armlehnen aufgestützten Armen in ihrem Rollstuhl.
Ihre Betreuer berichten, dass Greti aus ihrer Depression herauskommt und wieder gerne malt. AuÃerdem wird mir berichtet, dass es in der ganzen Klientengruppe ein positives
Stimmungsecho gibt auf die Veränderungen bei Greti. Die Veränderungen geschehen im Millimetertempo, aber für uns ist es ein Meilentempo, und wir feiern jeden noch so geringen Fortschritt.
Christoph ist mir eine wunderbare Unterstützung. Er scheint eine groÃe Heilkraft in seinen Händen zu haben. Während ich direkt an Gretis Körper arbeite, bewegt er seine Hände sanft und behutsam im Abstand von ihrem Körper. Es wirkt beruhigend, ausgleichend und scheint ihre inneren Energien in Fluss zu bringen. Es ist ein gemeinsamer Weg, den wir mit Greti gehen.
Nach ein paar Wochen beschlieÃen Christoph und ich, mithilfe einer neuerlichen Aufstellung unseren Weg mit ihr vom Hintergrund her zu befragen. Die Positionen sind:
â Greti in ihrem freien Bewusstsein,
â Greti in ihrem gebundenen Bewusstsein,
â Christoph als Bezugsperson,
â ich als Bezugsperson.
Ich stelle auf, und wir beide, Christoph und ich, gehen hintereinander in die Positionen.
Diesmal hat Gretis gebundenes Bewusstsein einen vagen Bezug zu ihrem freien Bewusstsein. Sie kann gerader stehen und ihr Körper fühlt sich nicht mehr ganz so verpanzert an. In der Herzgegend gibt es einen groÃen Schmerz, fast unerträglich. Plötzlich beginnt ein Sessel im Raum »mitzuspielen«. Wir nehmen ihn dazu und er wird ganz rasch zum Vater von Greti. Das gebundene Bewusstsein reagiert heftig darauf. Eine starke Liebe zum Vater wird spürbar, und gleichzeitig wird der gebundenen Position speiübel. Wir tippen auf einen sehr frühen Missbrauch, aber selbstverständlich bleibt es bei der Vermutung. Die Botschaft ist schlicht eine tiefe Liebe zum Vater,
auch von ihm zu ihr, aber gleichzeitig körperliche Ãbelkeit und unerträglicher Schmerz im Herzen. Das freie Bewusstsein ist ganz ruhig und »weià davon«. Ich stelle es als Unterstützung in die Nähe des gebundenen Bewusstseins. Christoph, der auf Greti in der Aufstellung wie ein Schutzengel wirkt, stelle ich neben sie.
Greti selbst, durch viele Räume getrennt von unserer Aufstellung, reagiert heftig darauf. Am Tag danach fällt sie in eine Art Betäubung, die einen ganzen Tag anhält. Sie wird ins Spital gebracht, es gibt keinen Befund.
Als ich das nächste Mal zu ihr komme, zeigt mir ihre Betreuerin begeistert drei Blätter, die sie nach der »Betäubung« gemalt hat. Sie bewegt sich freier und leichter auf dem Papier und ist sehr vergnügt.
Ich versuche zu verstehen. Ich bin auf einem Gelände unterwegs, das mir völlig neu ist, und es gibt niemanden, der mir den Weg erklären kann. AuÃer meiner schnell erwachten Liebe zu diesen Menschen habe ich nichts anzubieten. Ich kann nur vermuten.
In der eben geschilderten Aufstellung gab es einen zarten Kontakt zu dem freien Bewusstsein. Hat dieser Kontakt es möglich gemacht, dass Gretis gebundenes Bewusstsein es zulassen konnte, den vergrabenen Schmerz aus ihrer ganz frühen Kindheit andeutungsweise zu spüren? Hat dieser Einbruch in Gretis scheinbar gesicherten Behindertenalltag zu dieser Betäubung geführt, sozusagen als Gegenreaktion? Und hat in den Stunden der Betäubung nicht nur Abwehr, sondern auch Klärung stattgefunden? Was hat Greti befreit und wie hat ihre Seele den eventuell aufkeimenden Schmerz verwaltet?
Nie werden wir es erfahren, wir können nur aus unserem eigenen Bezugssystem Hypothesen bilden und müssen darauf verzichten, sie je zu verifizieren.
In einer nächsten Aufstellung hat Gretis gebundenes Bewusstsein erstmalig einen deutlichen Kontakt zu ihrem freien Bewusstsein. Es erscheint ihr als Lichtgestalt, aus der sich bald das Bild der Mutter heraus entwickelt. Etwas wacht als Ahnung in Greti auf. Vielleicht wirkt dieses offensichtlich positive Mutterbild in die kommende Entwicklung hinein.
Greti wird immer offener und zugewandter und eines Tages lässt sie es zu, dass ich ihr den Pinsel in die Hand stecke statt in den Mund. Vorher hatten wir
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