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Verzeihung, sind Sie mein Koerper

Verzeihung, sind Sie mein Koerper

Titel: Verzeihung, sind Sie mein Koerper Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christl Lieben
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Greifübungen gemacht, mit endloser Geduld reichte sie sich ein Päckchen Papiertaschentücher von links nach rechts und wieder zurück. Auch kann sie ihre Unterarme ein wenig heben und senken, sodass sie mehrere Zugriffsebenen zur Verfügung hat. Sie beginnt nun auch mir die Taschentücher zu reichen und wieder von mir in Empfang zu nehmen. Und irgendwann schütteln wir uns die Hand. Welch ein Fest!
    Jetzt aber schaut sie mich skeptisch an mit dem Pinsel in der Hand.
    Ich verbinde mich innerlich ganz dicht mit ihrem freien Bewusstsein und lasse keinen Zweifel daran, dass es möglich sein wird, mit der Hand zu malen. Früher, vor Jahren, hatte sie es gekonnt, aber das ist lange her.
    Ich halte ihr den Zeichenblock vor die Hand und Greti beginnt. Es werden zarte Zeichen, mit feuchten Buntstiften aufs Papier gesetzt. Wir sind beide aufgeregt. Ich drehe das Papier weiter, damit sie auch dort malen kann, wo ihr Arm sonst nicht hinkäme. Es ist ihre linke Hand, die arbeitet, die konnte sich leichter aus der spastischen Verkrampfung lösen als die rechte. Schließlich ist der ganze Rand des Papiers rundherum bemalt. Greti ist erschöpft und sonnt sich wohlig in unser aller Applaus.
    Die Mitte des Papiers ist frei, und ich möchte Greti eine Überraschung bereiten. Ich mache ein Foto von ihr und klebe es in die Mitte. Ihr Gesicht, umrahmt von ihren eigenen Zeichen.
Ich bin begeistert von meinem Produkt. Nicht so Greti. Sie reagiert entsetzt und traurig. Zu meiner Verblüffung kann sie in ihrem Gesicht ihre eigene Behinderung erkennen und möchte ganz offensichtlich nicht in dieser Weise damit konfrontiert werden. Meine Rettung aus dieser Situation liegt auf dem Gruppentisch, ein Kunstkatalog. Zur Ablenkung und auch, um meine eigene Verlegenheit über meinen faux pas zu verschleiern, blättere ich das Buch mit Greti durch. Sie bleibt bei den schönen Frauen Klimts hängen. Immer wieder will Greti sie anschauen, die schlanken Hälse, die edlen Köpfe, die eleganten Körper. Greti kann nicht genug bekommen, und langsam hellt sich ihre Stimmung wieder auf.
    Was war geschehen? Bisher bin ich, soweit ich das einschätzen konnte, im Wesentlichen ihren Primärgefühlen begegnet. Neugier, Freude, Angst, Ärger, Zutrauen. Diese Gefühle waren direkt auf mich zugekommen, und wir hatten eine Form gefunden, über diese Gefühle zu kommunizieren.
    Im Fall des eigenen Bildes scheint sich eine Reflexionsebene dazwischengeschaltet zu haben: das Erkennen und die Ablehnung der eigenen Behinderung bzw. des Erscheinungsbildes der eigenen Behinderung im Vergleich mit Klimts schönen Frauen. Die körperliche Eingeschränktheit wird mit unendlicher Geduld ertragen, sie bestimmt einen vertrauten Alltag und ist, wie wir später sehen werden, ein Schutz.
    Hinter all dem lebt aber in Greti offensichtlich der Wunsch nach eigener Schönheit.
    Ein wundersamer Heilungsansatz kommt aus ihr selbst. Das ausführliche Betrachten schöner Frauen scheint tröstlich zu wirken. Nimmt sie diese Schönheit so nachhaltig in sich auf, dass sie sie schließlich von innen spürt und für ihre eigene hält? Oder vergisst sie über dem Anblick dieser Bilder schlicht sich selbst? Jedenfalls lächelt sie mich an, nachdem wir das Buch geschlossen haben. Sie lächelt wie eine Frau, die weiß,
dass sie schön ist. In diesem Augenblick verströmt Greti einen Zauber, den keine der Klimt-Frauen wohl je hatte.
    Ab diesem Tag ergeben sich zwischen Greti und mir fast bei jedem Besuch, bevor wir zu arbeiten beginnen, kleine vertraute Frauenplaudereien. Unsere Kommunikationsebene bleibt die gleiche wie bisher, ich frage, sie nickt oder sagt »Ja« oder schüttelt heftig den Kopf. Wenn sie unentschieden ist, sagt sie »geht«. Das sagt sie ziemlich oft.
    Mit der Zeit frage ich nach ihrer Familie, nach ihren Freunden im Wohnheim und wie sie schläft. Es stellt sich heraus, dass ihre spastischen Krämpfe, die sie in der Nacht regelmäßig aufgeweckt haben, viel seltener geworden sind, seit wir miteinander arbeiten. Sie malt, wenn ich da bin, also einmal in der Woche, regelmäßig mit der Hand. Ihre Zeichen werden immer weiter und freier, die Unterarme immer beweglicher. Vor jeder Malerei gibt es das gleiche Programm: Spannungen abstreifen, Massage und Bewegungsübungen.
    Greti beginnt jetzt immer mehr mit den Armen auszudrücken. Sie lässt sie lässig links

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