Verzeihung, sind Sie mein Koerper
beschäftigt sind. Greti ist nicht dabei. Ich sage Sonja, dass ich überlege, aufzuhören aus besagten Gründen. Ich sage es leise. Da löst sich Ernst von seinem Arbeitstisch, Ernst, der in seinem Rollstuhl immer still in seiner Ecke sitzt, durchgesägte
Blumen malt und nie etwas sagt. Jetzt schieÃt er geradezu mit seinem Rollstuhl auf uns zu, drängt sich zwischen Sonja und mich und ruft laut: »Bleiben, bitte bleiben«.
Sonja und ich sehen uns überrascht an, mir wird warm ums Herz und meine Sicherheit kehrt langsam zurück. In einer anderen Form allerdings.
Bevor Gretis Verweigerung, mit der Hand zu malen, endgültig wird, und sie ganz erfüllt ist von ihrem lebendigen »Nein«, bitte ich sie, dieses »Nein« mit der Hand zu malen. Ich feuere sie an, laut ihr »Nein« zu rufen und gleichzeitig ein Zeichen aufs Papier zu setzen. Es wird ein Blatt, voll befreiter Ausdruckskraft. Wir haben beide viel Freude daran und dennoch: Gretis Verweigerung, mit der Hand zu malen, ist nun manifest. Sie kehrt zurück zur Mundmalerei und ich überlasse es den Betreuern, sie dabei zu begleiten. Die lebensbejahende Kraft ihres »Nein« bleibt bei mir gespeichert. Noch scheint es nicht an der Zeit zu sein, diesem mächtigen Potenzial Gestalt zu geben.
Ich treffe mit ihr eine Vereinbarung, wir werden hauptsächlich am Körper arbeiten. Massagen, Ableiten von Spannungen, tun ihr besonders gut, sowie Greif â und Bewegungsübungen. Unser gemeinsames Ziel ist, ihren Bewegungsradius zu erweitern und die Vielfalt von Greif â und Zupack-Bewegungen der Hände zu erhöhen. Die früher ängstlichen Daumen agieren jetzt gemeinsam mit Zeige â und Mittelfinger als Greif â und Haltewerkzeug. (Müsste sich das nicht auf die Dauer auch auf ihre Gehirntätigkeit auswirken? Und wenn ja, in welcher Form?)
Greti entwickelt Ehrgeiz und Vergnügen und meistens begrüÃt sie mich mit den Handbewegungen, die wir das Mal zuvor geübt haben. Das heiÃt für mich, dass die Ebene, die wir uns erarbeiten, in der Zwischenzeit nicht ganz verloren geht und sie selbst bewusst einmal gewonnenes Terrain nicht wieder aufgibt. Ich bin ihr so dankbar. Sie nimmt die Weiterentwicklung
ihrer Hände und Arme jenseits des Malens gerne an und scheint sich davon nicht bedroht zu fühlen.
Um ganz sicher zu gehen, führe ich eine neue Instanz bei Greti ein und werde von ihr wieder einmal wunderbar überrascht.
»Greti, du weiÃt sicher, dass jeder Mensch eine innere Heilkraft hat. Auch du hast eine innere Heilerin, die in dir wohnt und dich unterstützt, damit es dir immer besser geht. Bitte sag mir, wo in dir wohnt deine Heilerin?« Ich spreche sie direkt an und lasse keinen Zweifel an der Richtigkeit meiner Worte. Diese Art der Ansprache funktioniert immer zwischen uns und entspricht auch meinem Arbeitskonzept, ohne »Wenn und Aber« das freie Bewusstsein hereinzubitten. Greti schaut mich aufmerksam an, nickt und deutet mit ihrer linken Hand ohne Umschweife auf ihr Herz. »Deine innere Heilerin sitzt in deinem Herzen?« Greti nickt.
Hubert und sein Wissen um die Farbe seiner Seele, Greti mit ihrer inneren Heilerin im Herzen â Dinge, die wir uns allmählich bewusst machen, scheinen für Menschen wie Hubert und Greti spontan verfügbar zu sein.
Wie kommt das?
Ab diesem Zeitpunkt jedenfalls arbeiten Greti und ich nie, ohne zu Beginn die innere Heilerin anzusprechen. Ganz kurz halte ich meine Hand über ihr Herz und sage: »Deine innere Heilerin ist mit bei uns.« Greti nickt. Das genügt.
Inzwischen habe ich begonnen, auch mit anderen Mitgliedern aus der Malgruppe zu arbeiten, Gretis und meine Zeit bleibt auf ca. 20 Minuten beschränkt. Es ist nach wie vor das ZeitmaÃ, das ihrem Konzentrationsvermögen entspricht. Ich vermute, dass im Inneren von Greti sich während unserer Arbeit viel mehr an Bewegung abspielt, als von auÃen zu sehen ist, und das erschöpft. Wenn ich auch mit anderen arbeite, Greti ist immer die Erste, die an der Reihe ist, sie ist die Königin meiner Tätigkeit.
In mir ist noch sehr gegenwärtig, wie sie auf die Spiralbewegungen von Christoph über ihrem Kopf reagiert hat: körperlich durch Loslassen, stimmungsmäÃig durch Aufhellung und bewusstseinsmäÃig durch das Malen von Spiralen. Das bringt mich auf die Idee, direkt an ihrem Körper eine Art von Aufstellungen zu
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