Verzeihung, sind Sie mein Koerper
inszenieren.
Es gibt einen konkreten Anlass. Für die ganze Gruppe wird eine Ausstellung organisiert. In dieser Ausstellung sollten alle Teilnehmer und Teilnehmerinnen Menschen bzw. Gesichter malen. Für Greti bedeutet das, dass sie einen Kreis aufs Papier bringen muss, einen Kreis für ein Gesicht. Bisher hat sie senkrechte Striche oder Halbkreise, von einem senkrechten Strich abgeschlossen, gemalt und, solange sie mit der Hand unterwegs war, Schleifen und Schlingen. Einmal waren es die Spiralen, aber auch die waren nicht rund.
Sie kann mit den Unterarmen, vom Ellbogen weg, nur eine halbe Rotation machen, einem ganzen Kreis steht ihre spastische Lähmung im Wege. Sie malt mit ihrem Mund nur das, was auch ihre Arme an Bewegung ausführen können. Da scheint es einen Zusammenhang zu geben. Das heiÃt, wenn ich bei ihren Unterarmen eine vollständige Rotationsbewegung erreichen könnte, dann müsste sie die auch mit dem Mund machen können.
Das bringt mich auf den Gedanken einer Körperaufstellung direkt an ihrem Körper. Ich bitte Greti um Erlaubnis, in einer neuen Weise an ihr arbeiten zu dürfen. Sie nickt, weil sie mir inzwischen vertraut, aber ihre Augen sind ratlos.
Fest verbunden mit ihrem freien Bewusstsein lege ich ihr eine Hand auf den Kopf und spreche laut zu Greti: »Das ist dein Gehirn, und es wird sich jetzt daran erinnern, dass dein Unterarm Kreisbewegungen machen kann.«
In mir meldet sich Widerspruch: »Was um alles in der Welt treibst du denn hier?« Und zu Gretis Gehirn sage ich: »Und
wenn du dich jetzt gut erinnerst, dann wirst du diese Erinnerung zu Gretis Nacken schicken.«
Meine innere Stimme: »Du weiÃt doch gar nicht, wo du auf Gretis Kopf die Hand auflegen musst, damit du den richtigen Teil des Gehirns erwischst.«
Ich lege eine zweite Hand auf Gretis Nacken und stelle so mit meinen beiden Händen eine »Telefonverbindung« zwischen Kopf und Nacken her. Ich harre so lange aus, bis es unter meiner Hand am Nacken lebendig wird. Das ist das Zeichen für mich, dass die Botschaft vom Kopf zum Nacken angekommen ist.
Die lästige Stimme in mir murmelt unverständliches Zeug.
Jetzt wechsle ich die Position meiner Hände und stelle eine Verbindung zwischen Nacken und Schulter her. Ich lasse die Schulter sagen: »Das Gehirn hat mir gesagt, dass der Unterarm sich im Kreis bewegen kann, es erinnert sich gerade daran. « Ich bleibe mit beiden Händen so lange auf Nacken und Schulter, bis ich unter meinen Fingern eine Verbindung spüre.
Meine innere Stimme gibt auf. »Mach, was du willst, es schaut eh keiner zu«, dann schweigt sie.
Ich bin wieder meiner Naivität überlassen. Was sich wohl Greti denkt? Nie werden wir es erfahren. Jedenfalls bleibt sie geduldig sitzen und lässt es geschehen. Meine Hand an der Schulter wechselt zum Ellbogen, die andere Hand bleibt am Nacken. Ich spreche, repräsentierend für sie, immer wieder denselben Text, der keinen Zweifel daran lässt, dass das Gehirn sich erinnert und der Körper die Erinnerung erkennt und darauf reagiert. Ich wechsle die Positionen meiner Hände immer wieder, verbinde Ellbogen mit Kopf oder Ellbogen mit Schulter oder auch Nacken. All das mache ich an Gretis linker Seite. Ich bleibe mit meinen Händen jeweils so lange am selben Platz, bis ich unter meinen Fingern den Lebensstrom von Gretis Körper spüre. Ich arbeite langsam und spreche die Texte der Positionen
mit groÃer Eindringlichkeit. Es ist mir bewusst, dass ich alte Erinnerungen an Möglichkeiten und Zusammenhänge aufzuwecken versuche, ebenso ist es mir bewusst, dass sie in Gretis Archiv noch vorhanden sind.
SchlieÃlich habe ich das Gefühl, dass es genug ist, und höre auf. Greti ist, glaube ich, während meiner Aufstellung auf ihrem Körper ein bisschen eingeschlafen. Sie hebt ihren Kopf, der leicht vorgebeugt war und schaut mich fragend und ziemlich verschlafen an. Ich setze mich ihr gegenüber und bitte sie, mit mir die Unterarmrotation zu üben, an die sich ihr Gehirn gerade erinnert. Zuerst bewege ich ihren Unterarm passiv, indem ich ihr Ellbogengelenk halte und den Unterarm sanft und vorsichtig führe. Die spastische Blockade scheint tatsächlich lockerer. Es werden noch etwas seltsame Kreise, aber immerhin Kreise. Langsam lassen sich die Kreise erweitern, aber immer noch in der passiven Bewegung.
Das nächste Mal wiederhole ich die Aufstellung und
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