Verzweifelte Jahre
Weißt nicht, wer kommt? Keine Ahnung, wovon du redest«, sagt meine Freundin. »Ich habe versucht, möglichst viele von Nataschas früheren Freunden aufzutreiben«, sage ich. »Das war gar nicht so leicht. Als Erstes hab ich den Carl-Michael gehabt .« »Wer ist der Carl-Michael ?« , fragt meine Freundin. »Der Sohn vom Pichowetz«, sage ich, »der ist mit der Natascha in den Kindergarten gegangen .« »Wer ist der Pichowetz ?« »Na, der Schauspieler«, sage ich. »In den Buben war die Natascha so verliebt damals .« »Wo hast du denn den jetzt gefunden ?« , fragt meine Freundin. »Na, das ist es ja«, sage ich, »ich hab recherchiert wie eine Blöde .« »Wie viele Leute hast du denn eingeladen ?« »Dreißig Leute. Familie, Freunde. Und die von früher.« »Und die hast du alle ausgeforscht ?« , fragt meine Freundin. »Ja«, sage ich, »und als Erstes habe ich den Karl-Michael gehabt. Weil ich seine Mutter getroffen habe. Durch Zufall.« »Also, wie jetzt?« »Das war eine Heidenarbeit. Zuerst bin ich in die Schule gegangen. Den Direktor gibt’s nicht mehr. Die zwei Schulen, die am Brioschiweg waren, sind zusammengelegt worden, da war aber nichts. Ich bin in den Hort marschiert, wo die Tante Joesi gesagt hat, sie kennt auch niemanden mehr, weil von der Conny die Eltern, die haben sich scheiden lassen, die sind alle ausgezogen aus der Wohnung. Verstehst du ?« »Sicher.« Sie nippt an ihrem Wein. »Als Nächstes: die Pfarre. Ich hab mir gedacht, die müssten was wissen, von der Erstkommunion her. Dort ist aber nur die Sekretärin gesessen und hat gesagt, der Pfarrer ist nicht da. Dauert aber nicht lang. Inzwischen geh ich rüber in die Trafik, komm zurück, noch immer kein Pfarrer. Sagt die Sekretärin zu mir: Mein Sohn ist mit der Stefanie befreundet, von der weiß ich die Nummer. Ich hab ihr meine E-Mail-Adresse gegeben und gebeten, wenn ihr was rauskriegts, schickts mir was. Hat er doch glatt die Telefonnummer geschickt. Wieder so ein Zufall.« »Echt.« »Um es kurz zu machen: Über die Michelle bin ich auf die Jenny gekommen und zu der ihrer Telefonnummer. Weil eigentlich geht’s um die Jenny. Das war die Sitznachbarin von der Natascha in der Schule. Ich ruf sie an und frag sie, ob sie dabei sein will. Natürlich, hat sie gesagt. Werden wir schon sehen, ob sie kommt, die Jenny. Und dann war noch der Petris .« »Wer?« Der Wein zeigt langsam Wirkung. »Der Petris«, wiederhole ich. »Aha.« »Der war leicht, weil dem seine Telefonnummer hat der Koch gehabt . Unglaublich, oder? Der hat ihn einmal auf der Gebietskrankenkassa getroffen, und da hat sich der Petris nach der Natascha erkundigt. Aber irgendwie, kann ja nicht anders sein, hat der Koch dann die Nummer wieder verschmissen. Bin ich also wieder dagestanden .« »Tsss.« »Und, was soll ich dir sagen, wieder so ein Zufall. Ich hab nur gewusst, die wohnen irgendwo am Kubinplatz. Na, soll ich am Kubinplatz spazieren gehen? Weiß ich, wo die daheim ist? Aber ich hab eine Arbeitskollegin, die am Kubinplatz wohnt. Mit der red ich, hab ich mir gedacht. Sagt die: Probieren wir’s doch beim Arzt, dort ist nämlich gleich einer. Und die Herta, das ist die Sprechstundenhilfe, die kenn ich, weil die ist wiederum eine Freundin von mir , die war aber nicht da. Die hat einen Schlaganfall gehabt und war im Spital .« »Geh .« »Die Regina, die von der Arbeit, hat aber nichts Besseres zu tun, als die Herta im Krankenhaus zu stören. Die sagt ihr, also man hat sie schwer verstanden mit ihrem Schlaganfall, jedenfalls die Mutter vom Petris, die wohnt beim Hals-, Nasen-, Ohrenarzt in der Stiege. Na, das war ja schon was. Ich also zu der hin, erfahre, dass der Sohn längst ausgezogen ist. Aber natürlich hat sie die Nummer, ich soll ihr meine geben, sie ruft mich dann an .« »Bingo.« »Nicht schlecht, gell?« »Du bist ja ärger wie der Columbo .« Der G’spritzte war leer. »Auf das hinauf brauch ich was zum Trinken .« Der Koch setzt sich zu uns. »Du, es ist schon halb acht. Wo bleibt denn eigentlich die Natascha ?«
*
Um sieben hätten wir anfangen wollen. Die Gäste waren vollständig versammelt. Samt Jenny, Stefanie und Karl-Michael. Petris kam nicht, aber seine Eltern waren da. Alle warten.
Ich gehe von einem zum anderen und erzähle überall dieselbe Geschichte. Dass sie nichts von dem Fest weiß, weil es eine Überraschungsparty ist. Dass sie sich um drei eingebildet hat, sie geht noch zum Friseur. Dass das nicht irgendein Friseur sein kann, weil heute
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