Viel Laerm um Stratfield
sich in den Schatten zu bewegen. Sehr wahrscheinlich würde er Rache an einem ungestörten Ort üben. Chloe beschloss, dass sie beim ersten Anzeichen von Schwierigkeiten irgendeine Ausrede erfinden würde, um direkt zum Herrenhaus zu gehen. Ganz bestimmt würde sie sich nicht einfach damit abfinden, zu warten und nichts zu wissen!
Ares machte es sich an ihrer Seite für die gemeinsame Nachtwache gemütlich. Die ganze Nacht hindurch schlief sie immer wieder für ein paar Minuten ein, dann wachte sie mit klopfendem Herzen auf und beobachtete erneut das Anwesen.
Der Morgen brach an, und nichts hatte sich verändert. Es gab auf Dominics Land keinerlei Anzeichen von Unruhe. Die Sonne ging über den vertrauten Steinen von Stratfield Hall auf, die jedes Geheimnis, das sie vielleicht bargen, hüteten.
Sie streckte die verkrampften Glieder aus und erhob sich steif von der Truhe. Es war Sonntagmorgen. Sie sagte sich, dass die Ruhe bedeuten musste, dass alles gut war.
Für Chloe war etwas Beruhigendes an dem vertrauten Durcheinander, das sie erwartete, als sie wenig später in den Salon der Familie kam. Ares hatte offensichtlich einen von Tante Gwendolyns Schuhen gestohlen und versteckt. Tante Gwendolyn, die einen Federhut, ein graues Seidenkleid und eine perlenbestickte Pelerine trug, schickte alle Dienstboten und ihren Ehemann auf die Jagd.
„Du hast mehr Schuhe als jede andere Frau, die ich je kennengelernt habe", murmelte Onkel Humphrey. „Von dem Geld, das sie an dir verdient haben, sind alleine in Chistlebury drei Schuhmacher in Rente gegangen. Warum ist dieser bestimmte Schuh so wichtig?"
Sie rückte eine ihrer Hutfedern zurecht. „Vielleicht ist dieser fehlende Schuh eine Botschaft von Ares' Herrn. Der Hund wurde vielleicht aus einem bestimmten Grund instruiert, ihn vor mir zu verstecken."
„Eine Botschaft von seinem Herrn?" Sir Humphrey blickte Chloe entgeistert an. „Glaubst du, Stratfield hat nach seinem Tod damit angefangen, Frauenschuhe zu tragen?"
„Vielleicht gibt er mir ein Zeichen", erklärte Tante Gwendolyn.
„Ein Zeichen?" Ihr Ehemann schüttelte verwirrt den Kopf. „Mit deinem Schuh?"
„Ja. Ein Schuh könnte ein okkultes Zeichen für den nächsten Schritt sein, den ich Stratfields Meinung nach machen muss, um ihm zu helfen."
Sir Humphrey hob die Hände. „Ich wünschte bei Gott, er würde mir helfen. Ein okkultes Zeichen. Ein Schuh."
Pamela steckte den Kopf ins Zimmer. „Wir Werden zu spät zur Kirche kommen. Beeilt euch doch alle!"
Chloe lächelte. Pamela war sonst immer eine Langschläferin, der jede Ausrede recht war, um sonntags nicht in die Kirche gehen zu müssen. Dieser plötzliche Sinneswandel konnte nur bedeuten, dass Liebe in der Luft lag. Ihre Cousine hoffte vermutlich, Charles in der Kirche zu sehen, um die Romanze voranzutreiben, die bei dem Ball am vorangegangenen Abend ihren Anfang genommen hatte. Bei dem Gedanken verspürte sie stechende Eifersucht. Chloe würde nie eine normale Brautwerbung erleben, bei der ihr Liebster sie von einer Kirchenbank aus wie ein Mondkalb anstarrte.
Nein, dachte sie wehmütig. Ihre eigene Brautwerbung bestand darin, dass ein Mann, als Straßenräuber verkleidet, sie für ein geheimes Stelldichein davonzog. Mittlerweile allerdings hatte das Ganze durchaus begonnen, einen rosigen Schimmer der Verklärung anzunehmen. Sie konnte kaum glauben, dass sie miteinander getanzt und sich mit solcher Verzweiflung geliebt hatten. Und doch konnte sie immer noch das Gewicht von Dominics hartem Körper auf sich spüren, seine Hände in ihrem Haar und auf ihrem Gesicht.
„Wir suchen nach dem verschwundenen Schuh deiner Mutter", teilte Sir Humphrey seiner Tochter mit. „Die fehlgeleitete Frau weigert sich, das Haus ohne ihn zu verlassen."
„Ich habe ihren Schuh noch vor ein paar Minuten auf der Treppe gesehen", verkündete Pamela.
„Zeigte er nach oben oder nach unten?", fragte ihre Mutter.
Pamela zuckte mit den schmalen Schultern. „Was macht das schon für einen Unterschied? Beeil dich doch, Mama."
Chloe ging zum Fenster hinüber und blickte nach draußen. Wo war Dominic jetzt? Sie hätte wütend auf ihn sein sollen, weil er sie in diese Situation gebracht hatte. Selbst wenn sie sich dazu entschloss, ihre Brüder um Hilfe zu bitten, gab es keine Garantie, dass eine Botschaft, die sie jetzt schickte, rechtzeitig ankam, um ihn zu retten. Die Konfrontation mit Edgar hatte vielleicht schon stattgefunden, bevor sie London überhaupt verlassen
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