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Viel Laerm um Stratfield

Titel: Viel Laerm um Stratfield Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jillian Hunter
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nichts Genaues über seine Rachepläne zu wissen.
    So leise wie ein Geist schlich Dominic sich in die dunkle Schlafkammer seines eigenen Hauses. Er hatte keinen Augenblick zu verlieren. Ihm blieb höchstens eine Viertelstunde, wenn er ganz sicher sein wollte. Die Dienstboten hatten sich in den Gesinderaum zurückgezogen. Er kannte ihre Gewohnheiten bis hin zu dem exakten Zeitpunkt, wo der Lakai in der langen Galerie die Kerzen löschte, bevor er sich zur Ruhe begab.
    Adrian würde alles tun, was nötig war, um Sir Edgar im Auge zu behalten, aber Dominics Onkel war kein Narr. Seit einer Woche hatte er die Dienstboten über Dominics Freundschaft zu Adrian ausgefragt, darüber, wann sie sich zuletzt getroffen und worüber sie gesprochen hatten. Es war offensichtlich, dass der Colonel Adrians Aufenthalt in Chistlebury voller Misstrauen beobachtete. Doch für heute bestand Adrians Hauptaufgabe darin, dafür zu sorgen, dass Chloe kein Leid geschah. Obwohl Dominics Geliebte in Liebesdingen dazu neigte, ein wenig übereilt zu handeln, war sie glücklicherweise sehr vernünftig, wenn es um ihr Überleben ging.
    Der geheimnisvolle Komplize war doch nicht auf dem Ball erschienen. Vielleicht war Dominics Verdacht falsch gewesen oder die Veranstaltung nicht intim genug für ein solches Treffen. Aber vielleicht ahnte sein Onkel auch, dass er verdächtigt wurde, und wollte einen harmlosen Eindruck erwecken, indem er einem gesellschaftlichen Anlass beiwohnte. Wahrscheinlich hatte er seinen Kontaktmann davor gewarnt zu kommen.
    Dominic würde diese Angelegenheit den Behörden überlassen, die für Betrug zuständig waren.
    Er breitete die blutige und zerrissene Uniformjacke seines Bruders auf Edgars makellos weißem Kissen aus. Aus der kleinen Urne in seiner Hand streute er eine Spur aus weißem Sand hinaus in die Galerie bis zu seinem Porträt an der Wand. Es war Sand aus Nepal, den Samuels getreuer Diener für den Gedenkgottesdienst geschickt hatte. Er fragte sich, ob Edgar erkennen würde, was das Ganze bedeuten sollte. Es war ein Fehdehandschuh, eine Kriegserklärung.
    Die leere Urne stellte er vor dem Geheimgang auf den Boden, der zu der unheimlichen Gruft führte, in der Dominic sich über einen Monat versteckt hatte.
    Sollte das Schicksal ihm freundlicher gesonnen sein als in der Vergangenheit, würde dies die letzte Nacht sein, die er in seinem dunklen Versteck verbrachte. Und wenn das Schicksal ungnädig war? Dann würde es nur seine letzte Nacht sein.
    Er schlüpfte durch den Spalt in der Wand und wartete, bis seine Augen sich an die Dunkelheit gewöhnt hatten. In diesem Punkt war er dem Colonel gegenüber im Vorteil. Dominic konnte sich inzwischen innerhalb von Sekunden in der Dunkelheit orientieren. Er kannte die Höhe jeder einzelnen Stufe, jede Biegung in den alten Schmugglergängen. Er wusste, wo Mörtel und Dreck bei einer Erschütterung einstürzen würden und wo er den Kopf einziehen musste.
    Wirklich, Dominic kannte jedes Detail seiner geheimen Hölle ganz genau. Er hatte dem Bösen ins Auge geblickt und überlebt, wie jemand, der das Feuer durchschritten hatte und daraus vernarbt und zugleich gestärkt wieder hervorgegangen war.
    Bis er Chloe begegnet war, hatte er sich nicht einmal die Zeit genommen, um herauszufinden, was die Ereignisse für sein Leben bedeuteten. Sie war zu der Brücke zwischen dem Mann geworden, der er früher gewesen war, und dem, der er in Zukunft zu sein hoffte.
    Ein Mann, der auf ihre Brüder zugehen und diese davon überzeugen konnte, dass er ihrer würdig war. Innerlich zog er eine Grimasse bei dem Gedanken, ihnen seinen Fall vorzutragen und die Einzelheiten seines Brautwerbens zu erklären. Egal, wie er es in Worte fasste, er würde dabei wie ein rechter Halunke aussehen. Heath würde seine Verteidigung durchlöchern, wenn Dominic es nicht sogar selbst tat.
    Nein, der Geist von Stratfield war kaum die Art von Mann, der man freiwillig seine Schwester zur Frau gab. Natürlich würde vollkommen zu Recht behauptet werden, dass er Chloe ruiniert hatte. Nun, sie hatte ihn auch ruiniert. Sie hatte ihn für jede andere Frau verdorben, und sobald er frei war, würde er, wenn nötig, Berge versetzen, um sie einzufordern. Sein Blut schien immer noch von der Vereinigung mit ihr zu singen. Heute Abend hatte sie nichts vor ihm zurückgehalten. Dennoch wünschte er sich, dass sie mehr Zeit gehabt hätten.
    Er zog seinen schwarzen Samtumhang aus und warf ihn über das Skelett, das an der Wand lehnte.

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