Viel Laerm um Stratfield
„Ich habe ihn ebenso wenig hierher eingeladen wie Sie."
„Vielleicht sollten Sie Ihre Fenster verschlossen halten", sagte er verärgert. „Sagen Sie, erwarten Sie heute Nacht noch weitere Besucher? Soll ich Tee machen?"
„Nur wenn Sie nach China segeln müssen, um ihn zu holen."
Dominic blickte ihre seidenverhüllte Gestalt noch einmal lange an, bevor er fortfuhr, nervös auf und ab zu gehen. Es war wieder typisch für ihn, dass ausgerechnet eine scharfzüngige Helena von Troja herausfinden musste, dass er nicht tot war. Diese Frau bedeutete Ärger, was, soweit er sich erinnerte, eine Familieneigenschaft zu sein schien. Nun, er konnte nicht noch mehr Ärger brauchen. Und doch war er hier, mitten in einem Mordkomplott, mit der Dorfsirene und dem Dorftrottel und seinem Mörder, der immer noch frei herumlief.
„Warum sind Sie nicht einfach in Ohnmacht gefallen, als Sie die Tür zum Ankleidezimmer geöffnet haben?", fragte er sie. „Das hätte uns beiden eine Menge Kummer erspart."
Sie bedeutete ihm mit einer Handbewegung, still zu sein. „Seien Sie einen Augenblick lang ruhig."
„Was?", entgegnete er erstaunt.
„Ich kann kein Wort von dem verstehen, was Lord St. John sagt, wenn Sie die ganze Zeit reden. Ich glaube, er muss mich gefragt haben, ob ich ihn heirate."
Dominic erstarrte im Gehen. Ihre Selbstherrlichkeit erstaunte ihn. Offensichtlich nahm sie seine Drohung nicht sehr ernst, was, wie er vermutete, möglicherweise mit jenem Kuss im Regen zusammenhing. Er betrachtete ihre bezaubernde Figur und spürte, wie ihre kokette Stimme ihn unliebsam erregte.
Chloe lehnte sich noch weiter hinaus und lachte. „Eine Belohnung? Hmmm. Was stellen Sie sich denn vor? Und nein, natürlich habe ich Sie nicht vergessen. Was tun Sie hier?", flüsterte sie.
„Ist das nicht offensichtlich?", murmelte Dominic angeekelt. „Das soll eine plumpe Verführung werden. Lasst uns alle Kies an das Fenster einer Jungfrau werfen, um ihr Herz zu gewinnen. Was? Es ist kein Kies da? Dann probieren Sie es mit Enteneiern. Oder mit Billardkugeln."
Chloe blickte ihn aus den Augenwinkeln an. „Würden Sie bitte ruhig sein?"
„Ich?", fragte Dominic und hob eine Hand an die Brust. „Warum verlangen Sie von Romeo nicht dasselbe? Er ist derjenige, der hier Krach macht."
„Was sagen Sie da, Chloe?", rief Justin verwirrt hinauf. „Ich kann Sie überhaupt nicht verstehen. Warum kommen Sie nicht in den Garten hinunter, damit wir uns vernünftig unterhalten können? Ich habe Ihnen zu Ehren ein Gedicht geschrieben."
„Ein Gedicht", wiederholte Dominic und warf die Hände in die Luft. Ihm war schwindelig. Seine Schulter blutete. Und er musste daneben stehen und zuhören, wie der hiesige Schwachkopf Gedichte ausspuckte?
„Ich mag Gedichte", erwiderte Chloe leise.
„Ich nicht", verkündete Dominic schnippisch.
„Dann gehen Sie", flüsterte sie und stützte die Ellbogen auf das Fensterbrett. „Vielleicht wäre es besser, wenn Sie morgen wiederkommen, Lord St. John."
„Morgen?", wiederholte Justin enttäuscht. „Sagen Sie mir nicht, dass ich so lange warten muss, bis ich Sie Wiedersehen darf! Ich glaube nicht, dass ich das ertragen kann, Lady Chloe."
„Nun, damit sind wir schon zwei", erklärte Dominic trübsinnig.
Chloe trommelte mit den Fingernägeln auf das Fensterbrett.
„Drei." Dann sagte sie laut, „Oh, Lord St. John, bringen Sie mir Ihr Gedicht nach dem Frühstück. Dann werde ich bessere Laune haben."
Dominic runzelte in der dunklen Nische hinter ihr die Stirn, die Arme missbilligend über der Brust verschränkt. War dies nicht eine herrliche Situation? Er konnte die Wehmut in Chloes Stimme kaum überhören. Und selbst ein „Toter" wie er konnte kaum übersehen, wie einladend sie ihren Körper zur Schau stellte, während sie halb aus dem Fenster hing, um flüsternd mit ihrem Bewunderer zu kokettieren.
Was ihn wieder zu der Frage nach dem Korsett auf dem Bett brachte. Er war nicht im Geringsten überrascht, dass ihre Brüder sie ins gesellschaftliche Exil verbannt hatten. Auch wenn wohl nicht einmal der Turm einer Burg in den italienischen Alpen abgelegen genug war, um zu verhindern, dass diese junge Dame in Schwierigkeiten geriet. Ihr Übermut und ihr familientypisches Temperament waren stärker ausgeprägt, als gut für sie war.
Allein die Tatsache, dass sie bereits das Interesse von Justin, Lord St. John, erregt hatte, der nun, da Dominic selbst tot war, Chistleburys bester Fang war, sprach für sich.
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