Viel Laerm um Stratfield
Überhaupt, war St. John nicht eigentlich mit der Seymour-Erbin verlobt, einem ziemlich geistlosen Dummchen, das Schwierigkeiten hatte, einen zusammenhängenden Satz zu formulieren? Was, zum Teufel, hatte der Junge vor, indem er die schöne, verbannte Chloe hinunter in den dunklen Garten lockte?
„Ich bin den ganzen Weg bis hierher gekommen, um Sie zu sehen, Lady Chloe", drang St. Johns Stimme von unten herauf. „Können Sie sich nicht wenigstens für ein paar Minuten hinausschleichen und mit mir reden?"
„Wagen Sie es nicht, auf ein derartig unanständiges Angebot einzugehen!", ermahnte Dominic sie über die Schulter.
„Warum sollte ich das nicht tun?" Sie klang empört über seine Einmischung. „Ich gehe ja auch auf Ihres ein."
Der junge Mann im Garten unter ihnen trat erschrocken ein paar Schritte nach hinten. „Ist da noch jemand bei Ihnen im Zimmer, Lady Chloe?"
„Sagen Sie ihm, dass einer da ist", befahl Dominic ihr. „Sagen Sie ihm, Ihr Liebhaber ist ein äußerst eifersüchtiger Ausländer, der seinen Lebensunterhalt damit verdient, Duelle zu fechten."
„Würden Sie mich jetzt bitte in Ruhe lassen?", flüsterte sie wütend.
Justin starrte misstrauisch zu ihr hinauf. „Was haben Sie gesagt? Habe ich da eben eine Männerstimme gehört?"
Chloe sah bereits, wie sich all ihre Hoffnungen auf eine schöne Romanze vor ihren Augen in Luft auflösten. In der Vergangenheit hatte sie stets die falsche Sorte Mann anziehend gefunden. Dies schien eine Eigenschaft zu sein, die, wie ihre Schwägerin Jane sanft angedeutet hatte, mit ein wenig Vernunft behoben werden konnte. Chloe befürchtete insgeheim, dass sie seit dem Tod ihres Vaters und ihres jüngeren Bruders Brandon schwermütig geworden war. Manchmal hatte sie selbst kaum das Gefühl, lebendig zu sein. Sie verstand nicht, warum sie nicht ebenso einfach zufriedenzustellen war wie ihre Freundinnen.
Sie wollte ihre Familie nicht verletzen und auch ihren Ruf nicht ruinieren. Aber es gab Zeiten, in denen ihr alles einfach egal war. Brandon war Anfang des vergangenen Jahres getötet worden, und ihr Vater war knapp fünf Monate später an einem Herzanfall gestorben, als die Nachricht vom Tode seines Sohnes in seinem Landhaus angekommen war. Allein Chloe hatte sich damals als einzige von ihren Geschwistern auch dort aufgehalten. Es war ein grauenvoller Schock gewesen, von dem Mord an Brandon zu hören und am selben Tag den Tod ihres Vaters mitzuerleben.
Chloe hatte sich noch immer nicht vollkommen erholt. Und sie glaubte nicht, dass sie sich je davon erholen könnte. Zwar hatten sie und ihr Vater nie ein besonders inniges Verhältnis zueinander gehabt: Er war ein distanzierter, harter Mann gewesen, der sich nach dem Tod seiner Frau vor acht Jahren, als Chloe zwölf gewesen war, von seinen Kindern zurückgezogen hatte.
Chloes Welt war zunehmend grau geworden, und wenn sie in Schwierigkeiten geriet, fühlte sie sich irgendwie seltsam lebendig. Auf eine eigenartige Weise war sie wie ein Geist, genau wie ihr Eindringling.
Sowohl sie als auch Dominic Breckland waren vielleicht körperlich lebendig, aber ein essentieller Bestandteil von ihnen war beschädigt, wenn nicht zerstört worden. Chloe konnte nicht erklären, warum sie auch nur das geringste bisschen Sympathie für einen Mann hegte, der ihr ganzes Leben ruinieren konnte, während jede andere junge Dame an ihrer Stelle mit Panik reagiert hätte. Aber vielleicht lag es daran, dass sie das Leben mit ihren Brüdern gewöhnt war. Chloes Familie hatte die Konventionen schon immer missachtet.
Was genau der Grund war, warum sie an diesem Abend bei dem Dorfball so stolz darauf gewesen war, das Interesse des unbekümmerten Justin geweckt zu haben. Er war eigentlich gar nicht ihr Typ. Er kam aus einer hervorragenden Familie, trank und spielte nicht, und soweit sie es beurteilen konnte, schien an ihm rein gar nichts Gefährliches zu sein, selbst wenn er auf die dumme Idee verfallen war, an diesem Abend hierher zu kommen. Aber Leidenschaftlichkeit war nicht immer etwas Schlechtes, solange man sie zu beherrschen wusste, oder etwa doch?
Ihre Brüder hatten geschworen, dafür Sorge zu tragen, dass sie sich, noch bevor das Jahr vorbei war, einen akzeptablen Gemahl aussuchte. Vielleicht gab es eine Chance, dass sie und Justin heiraten konnten, wenn er wirklich alles war, was er zu sein schien.
Und wenn der sarkastische Teufel, der ihr beinahe wie ein Alb im Nacken saß, nicht alles ruinierte.
„Das ist kein Mann,
Weitere Kostenlose Bücher