Viel Laerm um Stratfield
Hunne, wobei ihre Rosshaarunterröcke gegen den Türrahmen schlugen. „Ich habe gesehen, dass dein Schlafzimmerfenster offen stand, als wir heute Abend aufgebrochen sind", sagte sie und drückte eine von bläulichen Adern überzogene Hand aufs Herz, während sie wieder zu Atem kam.
Chloe wandte sich um und traf den Blick der rot gelockten jungen Frau, die in der Eingangshalle stand. Es war ihre Cousine Pamela, die aufgrund eines verknacksten Knöchels den Ball verpasst hatte und jetzt hinter Tante Gwendolyns Rücken seltsame, unverständliche Handzeichen machte.
„Es war nicht das Schlafzimmerfenster", erwiderte Chloe langsam. Sie versuchte verzweifelt, Pamelas Gesten zu deuten. „Es war das Fenster des Ankleidezimmers, und ... "
„Ich habe es geöffnet, um das Ankleidezimmer einmal gut durchzulüften", fuhr Pamela fort und signalisierte Chloe, dass sie ruhig sein sollte. „Es roch ein wenig stark nach Puder und Parfum."
Tante Gwendolyn war zu sehr damit beschäftigt, ihre zierliche Figur aus einer mit Fuchspelz besetzten Pelerine zu befreien, um die heimliche Pantomime zu bemerken. „Nun, sorge dafür, dass es sicher verschlossen ist, bevor wir uns zurückziehen. Auf dem Ball heute Abend gab es kein anderes Gesprächsthema als die neuesten Eskapaden des Geistes von Stratfield."
Pamela machte große Augen und vergaß allem Anschein nach vollkommen, dass sie Chloe eigentlich hatte helfen wollen. „Oh, und was hat unser böser Geist nun schon wieder getrieben?"
Tante Gwendolyn machte eine dramatische Pause und fasste mit einer Hand nach den Onyxknöpfen an ihrer Kehle. Es gab keine Frau in der Gemeinde, die Leben und Sterben des schrecklich aufregenden und fürchterlich verruchten Viscount Stratfield nicht voller Spannung verfolgt hatte, vielleicht mit Ausnahme von Chloe, die ja eben erst angekommen war.
Angefangen bei seinen Heldentaten im Krieg bis hin zu seiner brutalen Ermordung im Bett vor beinahe einem Monat hatte es nur wenig im Leben des Viscounts gegeben, was das Interesse der Dorfbewohner nicht geweckt hätte. Sein Mörder war nicht gefasst worden, aber in der Dorfschenke wurden immer noch Wetten darauf angenommen, dass ein erzürnter Ehemann Rache genommen hatte.
Natürlich war zum Zeitpunkt seines Todes eine Frau an seiner Seite gewesen. Den Gerüchten nach war sie allerdings nicht nur an seiner Seite gewesen, sondern hatte nackt unter ihm gelegen, als er erstochen worden war. Und es war ihre dramatische Erzählung von dem Verbrechen, das ein maskierter Eindringling begangen hatte, die das schläfrige Dorf bis in seine Grundfesten erschüttert hatte.
Tante Gwendolyn sprach mit sehr leiser und etwas sensationslüsterner Stimme, als ihr Gemahl das Haus betrat. „Der gut aussehende Teufel hat Miss Beryl Waterbridge verführt, als sie letzte Nacht beim Abendgebet kniete."
Onkel Humphrey blieb in der Eingangshalle stehen und zwinkerte Chloe mit seinen braunen Augen belustigt zu. „Ich habe nichts Derartiges getan. Ich war den ganzen gestrigen Abend hier in diesem Haus und habe mit meiner lieben Nichte Karten gespielt. Ist das nicht richtig, Chloe? Gibst du mir ein Alibi?"
Chloe schälte sich aus ihrem leichten rosa Wollmantel. Sie fragte sich geistesabwesend, wann sie wohl den gut aussehenden Justin Linton, Lord St. John, Wiedersehen würde. Als sie sich verabschiedet hatten, hatte er geschworen, nicht ohne sie leben zu können. Chloe hatte über diesen schwärmerischen Unsinn nur gelacht. „Ich kann für dich bürgen, Onkel Humphrey", versicherte sie beherzt und grinste ihm über die Schulter zu. „Ich habe nicht bemerkt, dass du auch nur einen einzigen Menschen verführt hast."
Im Garderobenspiegel betrachtete sie ihre Reflektion und versuchte, sich so zu sehen, wie Justin es an diesem Abend getan haben musste. Er hatte zwar zugegebenermaßen zweimal mit ihr getanzt, aber Chloe konnte nicht umhin, sich zu fragen, ob seine Aufmerksamkeit nicht vielleicht doch zu irgendeiner anderen jungen Frau gewandert sein könnte, deren Haar heller war als Chloes, die eine etwas lieblichere Stimme hatte und zurückhaltender war.
Sie musterte sich mit gerunzelter Stirn. Konnte das ihr fataler Fehler sein? Ihre Unfähigkeit, so ... sittsam zu sein wie andere junge Damen? Tragischerweise schien dies eine Eigenschaft zu sein, die in ihrer Familie lag, und Chloe war sich nicht sicher, ob sie daran etwas ändern wollte, selbst wenn sie es gekonnt hätte. Sie nahm an, dass sie wenigstens hätte versuchen
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