Vielen Dank für das Leben
gegenüberstand. Wann immer sich Gelegenheit bot, machte einer der Männer anzügliche Bemerkungen, immer ging es um Totos Muschi, um das Glied des betreffenden Mannes, um das, was man nach Feierabend anstellen könnte, um die Frage, ob Toto denn eine RICHTIGE Frau sei, um die einheimischen Frauen, die Nutten wären, die keine Jungfrauen wären, die sich verkauften, die es nicht anders verdient hätten, um Berichte, wie sie ihre Schwestern gezüchtigt hätten, die hatten irgendetwas falsch gemacht, waren über die Straße gegangen, hatten aus dem Fenster gesehen oder dergleichen.
Den Tee, den Toto der rumänischen Frau aus der Kantine brachte, ließ diese stehen, die Kekse, die Toto kaufte, ungegessen. Sie wurde hier nicht gemocht, das war die Mitteilung, und nur noch dreißig Jahre bis zur Rente. Da redete keiner mit ihr, da gab es keine verschworene Gemeinschaft der Gedemütigten, nichts vom Zusammenhalt der Arbeiterklasse, sondern nur eine Ablehnung, mit der Toto empfangen wurde, jeden Morgen, das Anlegen der Arbeitskleidung, auf kaltem Beton stehend, in die Halle gehen, nicht gegrüßt werden, die Blicke, ein Elend.
Jeden Abend, wenn es doch endlich geschafft war, wenn die Welt vor der Tür lag, nur fest zuschließen die Tür, damit der Tag nicht wie eine Welle in die Wohnung fließt, lag Toto in ihrer Badewanne und versuchte, einen Stolz zu empfinden. Sie arbeitete, das ermöglichte ihr, sich eine reizende Wohnung zu leisten, und am Wochenende konnte sie sich einreden, dass sie frei war und nicht in eine Fabrikhalle musste, doch es wollte nicht funktionieren, da war immer das Gefühl gestohlener Zeit, flüchtiger Momente, an deren Ende etwas Dunkles wartet.
Der Abend des Firmenfestes war ein Freitag, der beste Tag der Woche, an dem sie die Tür hätte schließen und für gestohlene Stunden nicht mehr hätte öffnen müssen, doch sie wollte die Gefühle ihrer Kollegen nicht verletzen, denen das Firmenfest so wichtig schien, da musste man sich doch sauber anziehen. Toto schaute sich im Spiegel an. Das große runde Gesicht, die Haare bis tief in die Augen, die schwarzen Lagen von Kleidung, heute würde sie vermutlich Emo genannt werden. Egal. Es gab Schlimmeres. Toto musste zur Firmenfeier. Die Bahnstrecke, die ihr am Morgen ein tiefes Trauma bereitete, am Abend benutzen zu müssen, ein fast körperlicher Schmerz. Fast immer fand sich in der Bahn ein einfacher Mensch, ein hart arbeitender Steuerzahler, der Toto lange anstarrte, bis sich etwas in seinem Gehirn zu einer Idee formte, die aus ihm herausbrechen konnte, und er oder auch sie zu Toto gehen und ihn beschimpfen konnte. Du Scheißschwuchtel, du abartige Sau, Arschficker, Aidsschleuder, danach hatte der Mensch, der immer erst kurz vor dem Aussteigen lospöbelte, ein Hochgefühl. Berauscht war er von seinem Mut. Das hält lange vor, so ein stolzes Gefühl. Toto empfand nichts, bei solchen Ausfällen anderer, außer einem Mitleid mit der Enge des Verstands vieler Menschen. Das Leben muss ihnen eine dauernde Beleidigung sein, mit all dem, was sie sich nicht erklären können.
Es war keiner zu sehen auf der Bahnfahrt in den vergnüglichen Abend, keine Gruppen junger Männer, die es Toto unbehaglich machten, keine rechtschaffene Frau und Mutter, kein Gläubiger, der sich durch den friedlichen Großen Klumpen Fleisch in seiner Existenz bedroht sah. Das Fest konnte ohne Zwischenfall angetreten werden. Neben dem Fabrikgelände befand sich eine Gaststätte, in der die Arbeiter nach Dienstschluss tranken oder Mittag aßen, wenn sie nicht in die Kantine wollten. Ein barackengleicher Bau, der heute mit Leuchtgirlanden so geschmückt worden war, als hätten traurige Kinder Weihnachten gespielt. Innen standen lange Holztische und Bänke, ein Buffet mit Gulasch und Kartoffelsalat, und die Feier war bereits auf ihrem rauschenden Höhepunkt angelangt. Toto fand Platz neben ihrer rumänischen Kollegin. Die ein wenig abzurücken schien. Sie war eine ordentliche Frau, sie hatte ihre Stelle unsichtbar unter den Kollegen eingenommen und wollte sich nicht mit einer unklaren Person verschwestern, sich nicht angreifbar und sichtbar machen. Die rumänische Frau war eine Dienstleisterin. Sie würde schweigen, wenn ihre Tochter von ihrem Mann missbraucht würde, sie würde stillhalten unter seinen Schlägen, ihr Hass würde sich nur gegen Unterlegene wenden, sie würde irgendwann verschwinden, ohne jede Spur.
Der Raum voller Bier- und Zigarettengeruch, eine Band spielte Schlager,
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