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Vielleicht gab es keine Schuld (German Edition)

Vielleicht gab es keine Schuld (German Edition)

Titel: Vielleicht gab es keine Schuld (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Schreiner
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Das nennt man einen Einblick bekommen.“
Das hörte sich gut an. Ein richtiger Männersatz: einen Einblick bekommen.
Ich fragte: „Welche Arbeit soll ich denn kennenlernen?“
Bob rieb sich das Gesicht und sagte: „Die Unfallstation in einem Krankenhaus.“
Ich jubelte! Ich sollte Unfallarzt werden!
Ich konnte die ganze Nacht nicht schlafen, so aufgeregt war ich. Jason fehlte mir.
Leider musste ich noch drei Tage in die Schule gehen. Ich konnte mich auf den Unterricht fast gar nicht konzentrieren. Musste immer darüber nachdenken, wie eine Unfallstation wohl sein könnte. Bob fielen immer außergewöhnliche Dinge ein. Genau richtig für mich.
    Dann kam der Tag, an dem Bob mich nach dem Frühstück aus der Mensa holte und sagte: „Wir fahren jetzt.“
Ich sagte zu den anderen: „Ich fahre jetzt“, und alle sahen mich stumm an. Was dachten sie wohl? Dass ich ein ganz besonderer Junge war und Dinge konnte, die sie noch nicht konnten? Bestimmt!
Bob ging mit mir durch den großen Flur der Schule und traf Mr. Mintz, der uns ernst ansah. Wir waren jetzt drei Erwachsene.
„Und Sie sind sich sicher?“, fragte er Bob.
„Ja“, antwortete der nur.
„Na dann, bis nächste Woche.“ Er gab Bob die Hand und sagte noch: „Alles Gute.“
Mir gab Mr. Mintz nicht die Hand und wünschte mir nicht alles Gute. Bob brauchte wohl mehr Ermutigung als ich.
Wir stiegen in Bobs Auto und fuhren in die Stadt. Das war ganz einfach, wie ich sah. Ich war in die falsche Richtung gegangen. Darum hatte ich die Stadt damals nicht gefunden.
Wir fuhren durch die Stadt hindurch bis zu einem riesigen Gebäude. Riesig!
Es war das Krankenhaus, in dem ich die nächsten Tage arbeiten durfte. Wahnsinn!
Da konnte ich abends im Heim aber viel erzählen.
Es war ein großartiges Gefühl, als ich mit Bob durch die Tür schritt. Hinter einem hohen Tisch stand eine Frau und zeigte nach rechts, als sie uns kommen sah. Kannte sie Bob? Ich sah mich noch um und sah, wie sie uns hinterher sah.
Bob war wohl überall bekannt, denn auch die Frau, die uns an dem nächsten Tisch begegnete, kannte Bob. Sie kannte sogar mich, obwohl ich noch nie da gewesen war. Wir waren wie bekannte Stars.
Bob ging mit mir durch eine große Türe, die sich von ganz alleine öffnete und hinter uns wieder schloss. Ein Mann kam uns entgegen, der Bob auch kannte. Und Bob kannte ihn. Der Mann sagte, er sei Dr. Jason. Ich sagte, dass mein früherer Zimmergenosse auch Jason geheißen hatte. Jason würde später wohl Arzt werden. Das lag doch auf der Hand. Wir lachten.
Dr. Jason nahm uns mit in sein Büro. Irgendwie haben alle erwachsenen Männer Büros.
Wir setzten uns und Dr. Jason sagte: „Ich habe deine Bilder gesehen, Christopher. Und einige deiner Geschichten gelesen.“
Wie sollte ich reagieren? Das war großartig, also sagte ich: „Das ist großartig.“ Es hörte sich richtig erwachsen an.
„Zeig mir mal deine Arme“, forderte mich Dr. Jason plötzlich auf und kam um seinen Schreibtisch herum zu mir.
Ich zog beide Ärmel vom Pullover hoch bis fast an die Schultern, denn meine Ritzerei hatte sich an beiden Armen bis ganz oben ausgeweitet.
Bob hielt seine Hände vors Gesicht und stöhnte. Er kannte die Ritzerei ja schon. War auch langweilig.
Dr. Jason sah sich alles genau an und sagte: „Sie sind unterschiedlich tief. Warum?“
Meinte er mich oder Bob?
„Christopher, warum ritzt du manchmal tief und manchmal nicht so tief?“
Ah, er meinte mich. Also antwortete ich gehorsam: „Weil nicht immer Blut kommt.“
Dr. Jason nickte und fragte weiter: „Du musst also Blut herauslaufen sehen?“
Ich nickte. Warum sollte ich sonst ritzen?
„Was machst du dann mit dem Blut?“, fragte Dr. Jason weiter.
„Ich male damit, Sir.“
Dr. Jason nickte, zog meine Ärmel wieder runter und zeigte auf meine Handgelenke innen. Er sagte: „Da darfst du niemals ritzen, denn da kommt soviel Blut auf einmal heraus, dass dir schlecht und schwindelig wird. Dann kannst du nie wieder malen.“
Ich nickte mit großen Augen. Gut, dass er mich informierte, denn das hätte ich beinahe einmal getan. Aber wenn ich danach nie wieder malen konnte, ließ ich das lieber.
„Gut“, sagte Dr. Jason. „Das hast du doch verstanden? Nie, klar?!“
„Ja, Sir. Nie.“
„Tut dir das Ritzen weh?“, fragte er weiter.
„Nein, Sir.“
„Gut. Was wäre, wenn ich dich ritzen würde?“
Dr. Jason wollte mich ritzen? Mir wurde komisch und ich sagte kleinlaut: „Lieber nicht, Sir.“
Ich sah zu Bob. Hilf mir!
Dr. Jason

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