Vielleicht gab es keine Schuld (German Edition)
stabil?“
„Ich weiß nicht“, antwortete er leise.
Ich sagte ihm: „Nur stabile Auserwählte dürfen hier bleiben. Du bist der Erste. Es ist eine große Ehre für dich.“
Billy fragte: „Was macht dein Geheimbund alles?“
Ich sagte: „Ich werde dir eine Stunde lang echte Blutgeschichten vorlesen. Die sind mit dem Blut früherer Mitglieder von Geheimbünden geschrieben worden. Auserwählte aus der ganzen Welt. Diese Geschichten verleihen eine geheime Macht, die jeder für sich selber entdecken muss. Aber die Macht darf niemals preisgegeben werden. Wer das tut, wird mit einem Fluch belegt und stirbt unter furchtbaren Umständen. So funktioniert ein Geheimbund.“
Billy war entsetzt. „Wie muss ich Blut spenden?“
Jetzt musste ich vorsichtig sein und sagte ganz leise: „Durch Ritzen. Das ist nicht schneiden. Ritzen ist viel weniger und merkt man kaum. Es tut nicht weh, wenn du es selber machst. Ich zeige es dir.“
Ich holte ein altes Küchenmesser hervor, das ich letzte Woche bei der Küchenarbeit gestohlen hatte. (Lieber Gott, vergib mir.) Da ich mich nicht mehr ritzen durfte, erklärte ich Billy: „Meine Arme sind voll. Ich habe meine Aufgabe erfüllt. Jeder Ritz war ein Geheimbund. Ich bin jetzt ein Meister. Ich darf mich nicht mehr ritzen. Sonst verliere ich meine Macht.“
Billy war wie erstarrt. Ich machte das wohl richtig gut und sprach weiter: „Jeder Ritz, den du dir zufügst, bringt dich näher zum Meister. Jeder Geheimbund kostet dich einen Ritz. Nun zeige mir deine Arme, damit ich sehen kann, wie viele Geheimbünde du schon besucht hast.“
Billy zog seinen Ärmel hoch und sagte: „Keinen.“
„Gut“, sagte ich. „Dann darfst du heute anfangen.“
Ich hielt Billy das Messer hin und starrte ihn wie ein Geier an. Das war so cool, dass ich selber Angst vor mir hatte. Ich glaube, ich hätte mir in die Hose gepinkelt, wenn ich Billy gewesen wäre.
Billy nahm das Messer und sah auf die Klinge. Ich hielt ihm meinen alten Waschlappen hin und sagte: „Beiße beim ersten Mal auf dieses heilige Tuch. Es wird dir helfen, deinen Schmerz besser zu ertragen. Denn beim ersten Mal tut es immer ein bisschen weh.“ Ich hatte diesen Spruch in meinem Sexuallexikon gelesen und fand ihn passend.
Billy zögerte, doch er nahm das Tuch.
Ich sagte: „Es wird dir wirklich helfen, und es gibt dir die Macht, dies alles hier zu ertragen.“
Jetzt hatte ich Billy endlich überzeugt. Wurde auch Zeit, denn mir gingen die Sprüche aus. Ich musste diese Sprüche ja alle zwei Tage wiederholen. Darum durften es nicht zu viele werden.
Ich sah zu, wie Billy sich ritzte. Erst zaghaft, dann tiefer. Ich hielt sofort den Messbecher darunter. Es lief prima! Billy biss wie wild auf dem Waschlappen herum und heulte. Ich hielt den blutenden Arm fest, damit kein Blut verloren ging. Billy kam auf 15 ml. Das war doch schon mal ein Anfang.
Als es aufhörte zu bluten reichte ich ihm ein Taschentuch und lobte ihn. Ich sagte: „Jetzt bist du in den Geheimbund Mörderbaby aufgenommen. Damit verpflichtest du dich, niemandem etwas zu sagen, denn wer von einem Geheimbund erzählt, wird früher oder später sterben. Jeder Geheimbund hat einen Geist. Der wird dich holen.“
Billy nickte mit großen Augen.
Ich mischte das Blut sofort mit der Farbe, damit es mir nicht wegtrocknete, zog eine Frischhaltefolie über den Becher und las Billy die erste Blutgeschichte vor.
Um sieben mussten wir zum Abendbrot.
Mein Geheimbund hatte den ersten Auserwählten.
Um halb acht war ich wieder in meinem Zimmer und begann, das erste Bild zu malen. Vor mir lag das Foto. Ich malte das erste Puzzleteil. Das Blut reichte gut aus.
Am nächsten Tag kam Bob und sah mein erstes Bild. Er wusste natürlich nicht, was es war, denn ich zeigte ihm das Foto nicht. Ich erklärte ihm nur, dass ich einen abstrakten Kunststil ausprobieren würde. Das Wort hatte ich irgendwo gelesen. Bob nickte und sagte: „Finde ich prima.“
Am Mittwoch lud ich Greg ein. Der kam dann mit Billy zusammen. Ich erzählte wieder das gleiche, wobei mir Billy diesmal richtig gut zur Seite stand. So war auch Greg schnell von der Idee begeistert.
Das Ritzen war bei ihm viel unkomplizierter. Es ging rasch und er tropfte mir 12 ml in meinen Messbecher. Prima, dachte ich. Je mehr Blut ich hatte, desto öfter könnte ich ein Puzzleteil der Blutlache malen. Bekam ich wenig Blut, malte ich ein anderes Puzzleteil.
Am Donnerstag kam Bob und bewunderte meine Vielfältigkeit. Ich sagte, man könne noch nichts
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