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Vielleicht will der Kapitalismus gar nicht, dass wir gluecklich sind

Vielleicht will der Kapitalismus gar nicht, dass wir gluecklich sind

Titel: Vielleicht will der Kapitalismus gar nicht, dass wir gluecklich sind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Max. A Hoefer
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speziell die Luxuskonsumtion, ein.« 14
    Angesichts des herrschenden Konsumismus scheint es offensichtlich, dass von dieser »Einschnürung der Konsumption« nichts mehr übrig geblieben ist. Das war in den 1960er Jahren die Befürchtung von Daniel Bell, den wir schon im ersten Kapitel kennengelernt haben. Bell meinte zum einen, dass die Arbeitsmoral vom Konsumismus zerstört werde, denn niemand könne im Betrieb diszipliniert und in der Freizeit hedonistisch sein. Diese Angst hat sich nicht bestätigt. Der psychische Arbeitsdruck ist heute härter als je zuvor. Zum anderen prophezeite Bell mit Blick auf die Hippies, dass die Gesellschaft sich der Faulenzerei und dem Wohlleben hingeben werde. Doch auch diese Angst hat sich (leider) nicht bestätigt. Unser Konsumstil hat keine Gesellschaft der Freude, des unbefangenen Genießens und des guten Lebens geschaffen. Die Urpuritaner wären zweifellos entsetzt, wenn sie den Luxus unserer Tage sehen würden. Aber ihre Mienen hätten sich aufgehellt, wenn sie die sozialwissenschaftlichen Befunde dazu gelesen hätten, wie unzufrieden die Menschen mit dem Konsum sind: Dass sie immer schlechter genießen können, dass sie keine Zeit zur Ruhe und Muße haben, dass der Konsum etwas Zwanghaftes hat, dass die Überbietungs- und Steigerungslogik unzufrieden macht, dass die Menschen andauernd vom schlechten Gewissen und von Schuldgefühlen 15 geplagt werden. In dieser Hinsicht haben die Puritaner ihr Ziel erreicht: Der Konsum macht nicht glücklich.
    Die vormalige asketische »Einschränkung des Konsums« konnte aufgegeben und ein sogar hemmungsloser Konsum erlaubt werden, als sich herausstellte, dass die »romantische Konsumption«, die permanent nach dem Außergewöhnlichen sucht, in Übersteigerung und Erschöpfung mündet und das von den Puritanern gefürchtete gute Leben nicht eintritt, also das »unbefangene Genießen«. Zudem hält die Konsumnachfrage die Produktion hoch und erreicht sogar, dass dort noch härter gearbeitet wird als früher. Die von Weber dem Puritanismus zugeschriebene »Irrationalität« besteht radikalisiert fort. Auch heute leben wir, um zu arbeiten, und der Megakonsum erschöpft uns. Während es dem menschlichen Naturell und der Rationalität mehr entsprechen würde, wenn wir arbeiten, um gut zu leben, und konsumieren, was uns stärkt.
    Diese Irrationalität findet sich auch in den beiden Hauptmotoren des aktuellen Konsumkapitalismus wieder: Die Ökonomie ignoriert völlig, dass wir in einer Überflussgesellschaft leben, und tut so, als bestünde das größte Problem der Wirtschaft darin, Knappheit zu vermeiden. Ihr Leitprinzip ist unverändert: Mehr ist besser als weniger. Das passte zu Adam Smiths Zeiten, als ein Großteil der Menschen tatsächlich nicht mehr als ein Hemd und eine Hose besaß und viele hungerten. Heute ist es eine einzige Apologie des Wachstums und der Beschleunigung. 16
    Dagegen besteht die Irrationalität des »romantischen Selbst« als dem vorherrschenden Sozialcharakter in der Sehnsucht, der Festlegung und der Konformität in eine imaginierte Einzigartigkeit und Außergewöhnlichkeit entfliehen zu können. In dieser Illusion wird es von der Kultur und der Werbung bestärkt. Die Enttäuschung ist vorprogrammiert, denn selbst der narzisstischste Charakter weiß nur zu gut, dass es mit der eigenen originellen Individualität nicht so weit her ist und die Selbstinszenierungen doch recht konventionell ausfallen. In diesem Scheitern liegt ein Hauptgrund für die »Erschöpfung des Selbst«. Damit setze ich mich im 5. Kapitel näher auseinander.
    Ein Supermarkt führt im Schnitt über 40000 Einzelprodukte, doch die Ökonomen behaupten immer noch, es reichte nicht für alle.
    Richtung und Tempo bestimmen im Konsumismus also zwei Triebkräfte: die Produzenten, hinter denen renditehungrige Finanzmärkte Druck machen, und der romantische Sozialcharakter, der sich aus den Selbstentfaltungswerten der Kreativkultur speist. Ich habe beiden Irrationalität zugesprochen, weshalb ich beide Triebkräfte noch etwas genauer untersuchen will.
    Aufseiten der Industrie wurden die ursprünglichen Ideen des Puritanismus am reinsten übernommen, sie wurden weiter radikalisiert, und es wird auch am zähesten an ihnen festgehalten. Ein Grundgesetz der Ökonomie lautet: »Mehr ist besser als weniger.« Das ist die Formel zur unbegrenzten Steigerung. Wir entscheiden uns, so die Annahme, vor die Wahl zwischen mehr oder weniger gestellt, immer für mehr. Ohne diese

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