Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Vielleicht will der Kapitalismus gar nicht, dass wir gluecklich sind

Vielleicht will der Kapitalismus gar nicht, dass wir gluecklich sind

Titel: Vielleicht will der Kapitalismus gar nicht, dass wir gluecklich sind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Max. A Hoefer
Vom Netzwerk:
»des Gehirns« belegt die Hirnforschung jedenfalls nicht. Der welthistorisch sicherlich einmalige Konsumrausch, den wir derzeit erleben, ist nicht Ausdruck unserer menschlichen Natur, die jetzt erst so richtig zu sich selbst kommt, sondern ein Extremzustand. Hier waltet nicht die reine Vernunft oder eine ökonomische Rationalität, sondern eine kulturelle Mentalität, nämlich das puritanische Maximierungsgebot, die sich auf einem dynamischen Steigerungstrip befindet, den wir stoppen sollten, gerade wenn wir an unser Naturell, an ein gutes Leben und ein nachhaltiges Verhältnis zur Natur denken.
    Man fragt sich, warum die Ökonomen mitten im Überfluss vom Knappheitstheorem nicht lassen können. Ein Grund ist historisch. Bei Adam Smith, dem Vordenker des modernen Kapitalismus, ist die Knappheit der Güter ein zentraler Baustein seiner Gleichgewichtstheorie. Wie Newton in der Physik bewies, dass Gott nicht ins Uhrwerk der Schöpfung eingreifen muss, weil sie nach klaren Gesetzen perfekt funktioniert, so schuf Smith die »invisible hand«, die in einem vollkommenen Markt die knappen Güter nicht nur am effizientesten, sondern auch am gerechtesten zuteilt. So ein Modell der perfekten Welt gibt man nicht gern auf. Generationen von Ökonomen von Léon Walras bis Eugene Fama haben seine Vollkommenheit mit allen mathematischen Tricks zu beweisen versucht. In der heilen Welt der Makroökonomie pendeln sich Angebot und Nachfrage von selbst im Optimum ein. Es ist die beste aller Welten, in die der Staat oder die Gesellschaft nicht eingreifen sollen. Natürlich ist diese blinde Marktgläubigkeit 23 naiv, das sagte schon Ludwig Erhard mit Blick auf die Finanzkrise 1929, und das gilt erst recht für die von 2008. Aber solange nichts Besseres da ist, halten die Ökonomen am Knappheitstheorem fest. 24
    Die Ökonomen lieben den die Knappheiten selbstregulierenden Markt aber noch aus einem anderen Grund: Der Markt hat immer recht. 25 Im Konsum offenbaren die Menschen ihre persönlichen Präferenzen. Sie kaufen, was sie zufrieden macht, sonst würden sie dafür kein Geld ausgeben. Wenn das Bruttoinlandsprodukt wächst, dann wachsen auch die Freiheit, das Glück, die Gestaltungsmöglichkeiten, die Gesundheit, der Wohlstand, alles – in der geschlossenen Welt der »offenbarten Präferenzen« 26 kann es per definitionem gar nicht anders sein. Die meisten Ökonomen sind unglaublich stolz darauf, dass sie als Wissenschaft vom menschlichen Verhalten (!) »vollkommen psychologiefrei« 27 über die Gründe und Dispositionen des wirtschaftenden Menschen spekulieren. Woher die Präferenzen kommen, welche Motive, Emotionen, Intuitionen es gibt, alles uninteressant!? Wie will ich leben? Wer will ich sein? Wer ist mir wichtig? Dort, wo die Gründe für unser Verhalten anfangen, hört die Neugier des Ökonomen schon auf. Der Ökonom muss keine Werturteile fällen, für ihn darf es gar keinen »guten« oder »schlechten« Konsum geben, also auch gar keinen Begriff vom »guten Leben«. Über das gute Leben muss sich die Wirtschaft daher keinen Kopf machen, weil der Marktmechanismus ohnehin zum Optimum führt. Die Menschen treffen die Kaufentscheidungen, die sie glücklich machen. Wir leben also bereits in der besten aller Welten und je mehr die Wirtschaft wächst, desto besser wird die Welt.
    Der Markt hat immer recht.
    Genauso borniert denkt der deutsche Sachverständigenrat, eine Art oberstes Ökonomengremium. Es hält nichts davon, dass man Menschen nach ihrer Meinung fragt, wie das die Glücksforschung seit vielen Jahren tut und auch die französische Stiglitz-Sen-Fitoussi-Kommission empfiehlt, um von der einseitig auf Konsumwachstum orientierten Messung des Bruttoinlandsprodukts wegzukommen. Der Sachverständigenrat besteht dagegen darauf, »dass nämlich Fakten überzeugender sind als Worte und dass nichts die wahren Präferenzen mehr offenlegt als aktuelle Wahlentscheidungen. Aussagen über Präferenzen sind immer nur ein unzureichender oder gar in die falsche Richtung führender Ansatz für derartige Offenlegungen.« 28 Mit einem Wort: Nur Cash zählt. Jede Kaufentscheidung ist identisch mit Zufriedenheit. Wenn die Leute in Umfragen sagen, sie wollen weniger essen und weniger fernsehen, dann glaubt ihnen das der deutsche Sachverständigenrat einfach nicht. Denn sie haben ja den Fernseher gekauft. Und wenn sie meinen, zu viel zu essen, dann sollen sie einfach weniger einkaufen. Was keinen Preis hat, kann gar keinen Wert haben –

Weitere Kostenlose Bücher