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Vier Arten, die Liebe zu vergessen

Vier Arten, die Liebe zu vergessen

Titel: Vier Arten, die Liebe zu vergessen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thommie Bayer
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Zürich,
jetzt ist sie an der Burg. Alles noch in der Ausbildung, aber sie macht mal
eine glänzende Karriere.«
    Â»Versteht ihr euch? Mögt ihr euch?«
    Â»Ich weiß das nur über Google.«
    Das folgende Schweigen nutzte Michael, um die Fenster zu öffnen,
damit der Rauch nachher den anderen nicht das Essen verleiden würde.
    Â»Scheiße«, sagte er dann.
    Â»Ja, scheiße.« Thomas sah sich nach der Weinflasche um, in der noch
ein Rest sein musste, aber als er sie gefunden hatte, beherrschte er den Reflex
und griff nicht danach.
    Â»Deine Eltern?«, fragte Michael schließlich, um das Gespräch nicht
an diesem Tiefpunkt zu beenden. »Leben die noch?«
    Â»Beide tot. Und das ist auch gut so.«
    Â»Hast du Lust zu erklären, was du damit meinst?«
    Â»Eher nicht. Nein.« Jetzt griff Thomas doch nach der Weinflasche und
schenkte sein Glas voll. »Oder doch. Es ist nicht gut so. Eigentlich wär’s
besser, sie würden mitansehen, was aus mir geworden ist.«
    Sie konnten nicht weiterreden, denn jetzt kam Bernd, einen kleinen
Stapel Papier in der Hand, herein und fragte, ob Michael auch Bier habe, ihm
sei gerade so heftig nach Bier.
    Â»Irisches«, sagte Michael, »wenn du das magst?«
    Â»Weiß ich erst, wenn ich’s probiert hab«, sagte Bernd, und Michael
ging zum zweiten Kühlschrank, in dem nur Getränke lagen, und holte eine Flasche
Kilkenny heraus, die er für Ian immer vorrätig hielt, falls der einen seiner
Spontanbesuche machte. Das geschah nicht sehr oft, nicht so oft wie damals in
Berlin, aber hin und wieder kam es vor, dass Ian an einem Wochenende anrief und
drei Stunden später in Venedig landete.
    Â»I need a friend«, sagte er dann jedes Mal und schloss Michael in
die Arme, als hätte der ihm wirklich gefehlt. Dabei telefonierten sie
miteinander, wann immer es Ian einfiel – manchmal auch zu eher grenzwertigen
Uhrzeiten –, Ian hatte sich als Musikverleger auf internationalem Parkett zu
einem Bohemien entwickelt.
    Bernd lehnte ein Glas ab und zog sich, nachdem er einen ersten
Schluck genommen und anerkennend genickt hatte, mit der Bierflasche und seinen
Papieren in den Salon zurück.
    ~
    Bei seinem letzten Besuch benahm sich Ian schon in der
Alilaguna so euphorisch und aufgedreht, dass Michael die Theorie wieder
verwarf, Ian käme immer dann, wenn er deprimiert sei – dieses »I need a friend«
klang in Michaels Ohren wie ein Hilferuf.
    Noch auf dem Boot packte Ian sein Geschenk aus. Das war
obligatorisch, er brachte immer etwas mit, meist englische Gedichtbände, von
denen Michael nie genug bekommen konnte, die er alle zur Inspiration und
Sprachaneignung las und deren Anblick im Regal ihm als stetig wachsender
Reichtum erschien.
    Diesmal war es kein Gedichtband, sondern ein iPod der neuesten
Generation mit sehr guten Kopfhörern und schon gefüllt mit unzähligen Alben,
darunter alles von Francesco de Gregori, Fabrizio de André, den Beatles,
Leonard Cohen, Natalie Merchant, Paul Simon, Kari Bremnes und etlichen irischen
Musikern, die Michael kannte und liebte – es schien nicht mehr aufhören zu
wollen beim Scrollen, und Michael war ganz ergriffen von diesem Riesengeschenk,
denn es war tagelange, vielleicht sogar wochenlange Arbeit gewesen, diesen
Schatz in das kleine Gerät zu portieren. Ganz zu schweigen von den Kosten, denn
es war klar, dass Ian diese Alben nicht alle besaß, sondern viele davon gekauft
haben musste.
    Â»Das ist phantastisch«, sagte Michael, »wie kommt’s?«
    Â»Ich dachte, ein Spaziergang nachts um drei mit Cohen auf den Ohren,
vielleicht bei Nebel im November, müsste ein ganz besonderes Erlebnis sein«,
sagte Ian lächelnd, »probier’s aus, und sag mir Bescheid, ob es stimmt.«
    Â»Das weiß ich jetzt schon«, sagte Michael, »das bedarf keiner
Erprobung.«
    Â»Dann vielleicht mit Fairy O? Stell dir vor, du hörst ein neues
Album mit deiner eigenen Musik zum ersten Mal so, direkt im Kopf und irgendwo
draußen, auf dem Boot, in den Giardini oder in Lido am Strand. Das wird noch
mal eine andere Dimension.«
    Â»Es ist ein Supergeschenk«, sagte Michael. »Danke.«
    Â»Let’s get drunk«, schlug Ian vor.
    Â»Ohne mich.«
    Â»Feigling.«
    Â»Du weißt, dass du ein Klischee bist, oder? Ein Ire, der jede
Gefühlsregung sofort mit einem Vollrausch orchestriert.«
    Â»Und was bist

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