Vier auf dem Laufsteg
Themenwechsel: Du solltest nächste Woche mal herkommen«, sagte Heidi, während Laura große Schlucke trank. »Wir sehen uns dann die neuen Fotos an und bringen deine Mappe auf den neuesten Stand.«
Plötzlich gab es eine Million Fragen, mit denen Laura Heidi bombardieren wollte.
Willst du mich immer noch rausschmeißen?
Bin ich immer noch bei Fierce unter Vertrag?
Wirst du mich wieder zu Vorstellterminen schicken?
Warum hast du mich in den vergangenen sieben Wochen nie herbestellt?
Sie hatte genug Fragen bis zum nächsten Sonntag, aber sie beschränkte sich auf ein lässiges: »Okay. Ich hab Proben für eine Studenten-Modenschau, aber ab Mittwoch hab ich Zeit.«
Pei-Ji musste ihr alle Verdrossenheit mit Yoga ausgetrieben haben. Obwohl Candy wieder da war, durfte Laura immer noch bei den Morgensitzungen mitmachen. Sie hatte sogar angeboten, zu bezahlen, aber Candy hatte bloß den Kopf geschüttelt.
»Wenigstens lenkt ihn das die Hälfte der Zeit von mir ab«, hatte sie gesagt. »Und hey, dein Sonnengruß ist noch echt scheiße!«
Laura streckte ihre Beine aus und registrierte, dass Heidi sie etwas gefragt hatte.
»’tschuldigung, ich war kurz ganz woanders.«
»Ich hab gefragt, was für eine Studenten-Show das ist.«
»Oh, das ist bei Central St. Martin’s, dieser Modeschule. Veranstaltet wird sie von so einem Pärchen im letzten Studienjahr, das Candy von irgendwoher kennt. Sie machen die Show gemeinsam.« Laura suchte in ihrer Tasche nach dem Zettel, auf dem sie die Einzelheiten notiert hatte.
»Ist das vielleicht die Jack-&-Jane-Show?«
»Äh, ja. Woher weißt du davon?«, fragte Laura neugierig. »Ist doch okay, dass ich da mitmache? Ich hab noch nicht genug Laufstegerfahrung und ich hab gehen geübt. Jetzt schaff ich auch Zwölf-Zentimeter-Absätze.«
»Meine Güte - ist das noch dieselbe Laura?« Heidi hustete leicht, was auch ein Lachen hätte sein können. »Natürlich kannst du mitmachen. Über die beiden wird ziemlich viel geredet. Sie werden als die neuen Antoni & Alison gehandelt. Ich bin beeindruckt. Ich hab überhaupt ziemlich viel Gutes über dich gehört.«
Heidis Lob (oder ihre Art von Lob) kam so unerwartet, dass Laura gar nicht wusste, wie sie damit umgehen sollte. »Was denn, zum Beispiel?«
»Das kann bis nächste Woche warten«, entschied Heidi mit nervtötend geheimnisvollem Lächeln. »Ich weiß ja nicht, wie’s dir geht, aber ich möchte ganz gern zu Hause sein, bevor der Spätfilm im Fernsehen anfängt. Kommst du mit zur U-Bahn?«
Laura wies auf ihre Füße. »Wenn es weniger als vier Kilometer sind, geh ich. Ich hab Hornhaut als Beweis.«
»Ich schwöre, Laura, dich haben die Aliens ausgetauscht.« Heidi stand auf und warf Laura noch einen scharfen Blick zu, der nichts verriet. »Du solltest dir nachher zu Hause ein bisschen Eis aufs Gesicht packen, sonst siehst du morgen ziemlich verquollen aus.«
So zu tun, als wäre man schön, war viel mehr Arbeit, als einfach hübsch zu sein, das war mal klar.
18
D ie Stimmung hinter der Bühne während der StudentenModenschau drohte in Hysterie umzukippen.
Laura registrierte den Wahnsinn ringsherum, während sie auf einem wackligen Hocker saß, nur im Slip und einem Bandeau-Top, das ihre Brüste schmerzhaft zusammenquetschte, weil die immer noch hartnäckig mehr als nur eine Handvoll waren. Sie malte weiter sorgfältig ihren Lidstrich, als Jane aus vollem Hals schrie: »Noch zehn verdammte Minuten, Leute! Ich will, dass alle Models in den nächsten sechzig Sekunden in ihren Outfits stecken, oder ich schlag euch alle zusammen.«
Jack, ihr Mann, saß kettenrauchend in der Ecke und war zu nichts zu gebrauchen.
Wenn Laura sich ganz auf das Ziehen der geschwungenen grünen Linie an ihrem Lidrand konzentrierte, konnte sie den Schmetterlingsschwarm ignorieren, der wild in ihrem Bauch herumflatterte. Nur noch rasch einen Hauch Lipgloss, dann glitt sie von dem Hocker und lief zu Jane.
»Okay, gib mir mein Outfit.«
Jane schnippte mit den Fingern, und eine ihrer als Assistentinnen angeheuerten Freundinnen half ihr, Laura in ein enges rotes Kleid zu zwängen. Laura wollte das Mieder glatt streichen, bekam aber von Jane einen schmerzhaften Klaps auf die Hand.
»Fass den Stoff nicht an«, bellte sie und zupfte den Sitz des Kleids zurecht, bevor sie die Rüschen am Rocksaum aufbauschte. »Und denk dran: Immer munter und frech. Los! Du bist dran!«
Sie ergriff Lauras Arm, zog sie zu den schweren Vorhängen und schob sie hindurch,
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