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Vier Beutel Asche: Roman (German Edition)

Vier Beutel Asche: Roman (German Edition)

Titel: Vier Beutel Asche: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris Koch
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immer.«
    »Manchmal redest du ziemlichen Stuss«, sagte Selina, aber es klang nicht feindselig. »Aber Christoph ist kein Phantomschmerz.«
    »Nein, das ist er nicht.«
    Ich legte meine Hand auf die Urne und bemerkte, dass dort schon Selinas lag. Sie streichelte über den Deckel aus Eisen und die Zierummantelung aus Keramik, als wären das Zärtlichkeiten für Christoph, die er spüren konnte.
    »Meinst du, er kann uns sehen?«, fragte ich.
    »Ich hoffe es.« Sie fuhr sich mit der Zunge über die trockenen Lippen. »Doch, ja. Ich glaube schon. Und du?«
    »Ich weiß nicht. Es wäre schön, aber … Ich glaub nicht an ein Jenseits.«
    »Und du willst die Asche trotzdem ans Meer fahren? Warum?«
    »Das war nicht meine Idee.«
    »Aber du machst mit.«
    »Weil es richtig ist. Es war sein Wunsch, egal, ob er es noch mitbekommt oder nicht. Du warst ihm auch dann treu, als er nicht hergesehen hat, oder? Darauf kommt es doch an, für einen da zu sein, wenn der es für sich selbst nicht sein kann.«
    »Auch wenn du recht hast, deine Vergleiche sind echt daneben.«
    »Das hat Christoph auch immer gesagt.«
    »Ich weiß.«
    Wir schwiegen wieder, und es war ein friedliches Schweigen. Auch sonst war die Nacht ruhig.
    »Was ist mit Maik?«, fragte Selina nach einer Weile.
    »Was soll mit ihm sein?«
    »Hat er versucht, sich umzubringen?«
    »Ja.« Ich erzählte ihr, wie ich ihn am Grab überrascht hatte, sie hatte ein Recht, es zu wissen.
    Bevor sie etwas darauf erwidern konnte, kamen die anderen zurück und brachten weitere Plastikbeutel mit. Jeder besaß nun einen eigenen, meiner war groß, weiß und mit dem Aufdruck einer Drogeriekette versehen, die Henkel waren verstärkte Schlaufen. Gründlich kontrollierte ich, dass er kein noch so kleines Loch hatte und dass die Henkel stabil waren. Auch die anderen überprüften ihre Beutel, dann brachen wir vorsichtig die Urne auf.
    »Das ist verdammt wenig«, murmelte Maik, als der Deckel offen war. Es war wirklich nicht viel, was von einem blieb.
    Trotz der Windstille knieten wir uns schützend um die Urne, dicht gedrängt wie Hände um ein Feuerzeug im Freien, falls eine plötzliche Bö käme. Aber die Luft regte sich nicht.
    Reihum nahm sich jeder eine gehäufte Gartenschaufel Asche aus der Urne, wir teilten Christophs Überreste gleichmäßig und fair auf.
    Bei meiner ersten Schaufel war ich so nervös, dass ich zitterte. Ich hatte Angst, niesen zu müssen, und hielt die Luft an, um nur ja kein bisschen von Christoph fortzupusten. Bei der zweiten Schaufel wurde ich von einer Welle Albernheit überschwemmt und dachte: Gut, dass er Asche ist, so müssen wir nicht streiten, wer sein Herz bekommt und wer nur die kleine Zehe oder den linken Arm.
    Ich unterdrückte ein hysterisches Lachen. Und dann schämte ich mich dafür, alles in mir fiel zusammen, ich fühlte mich wie angefüllt mit abgestandener Dunkelheit.
    Wir leerten die Urne so weit, bis man mit der schmalen Schaufel nichts mehr herauskratzen konnte. Dann hoben wir sie zu dritt hoch und schütteten den kläglichen Rest in Selinas Tüte. Vielleicht ging uns dabei ein wenig von Christoph verloren, doch wenn, so blieb eben etwas von ihm hier. Im Meer würde er sich auch in die ganze Welt zerstreuen, und es war gut, wenigstens einen Teil bei uns zu behalten.
    Bei seinen Eltern , dachte ich und hatte nur für einen winzigen Augenblick ein schlechtes Gewissen, dass wir ihnen ihren Sohn nahmen.
    Gründlich knoteten wir unsere Tüten zu, versenkten die leere Urne wieder in der Tiefe und schoben die Erde darüber. So gewissenhaft wie möglich setzten wir die Pflanzen wieder an ihren Platz.
    »Das passt«, sagte schließlich Selina, nachdem sie das Grab von allen Seiten betrachtet hatte.
    »Dann lasst uns aufbrechen«, sagte Maik.
    »Und wohin?«, fragte Selina.
    »Ans Meer.«
    »An welches?«
    »Ich dachte ans Mittelmeer«, sagte Maik. »Das dürfte am nächsten sein.«
    »Aber die Nordsee ist in Deutschland«, sagte Lena.
    »Die Ostsee auch.« Selina schüttelte den Kopf. »Und so national hat er auch nicht gedacht.«
    »Das hab ich nicht gemeint.«
    »In der Bretagne gibt es eine Kleinstadt am Meer, die hat er geliebt«, sagte ich. »Morlaix. Mit seinen Eltern hat er dort zweimal Urlaub gemacht, und danach wollte er im Fasching Korsar sein, Freibeuter, der Herr der Meere . So nannte sich irgendein Jean, der von einer vorgelagerten Burg auf weltweite Kaperfahrt aufbrach.«
    »Gut«, sagten Lena und Selina zugleich und sahen sich dann

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