Vier Beutel Asche: Roman (German Edition)
grimmig an.
»Der Atlantik ist riesig. Viel besser als das Mittelmeer«, gestand Maik.
»Dann brechen wir jetzt auf?«
»Gleich. Ich muss erst noch mal heim«, sagte Maik. »Mein Abschiedsbrief liegt offen auf dem Schreibtisch. Den sollten meine Eltern besser nicht finden.«
13
Im Wohnzimmer brannten noch Licht und Fernseher, Maiks Vater war wohl wieder auf der Couch eingeschlafen.
»Er wacht aber immer auf, wenn jemand die Haustür öffnet«, sagte Maik. »Egal, wie leise man ist, irgendwie riecht er einen.«
»Und was machen wir jetzt?«
»Ich bin zum Fenster rausgeklettert, damit keiner was merkt«, sagte Maik und deutete zum ersten Stockwerk hinauf. »Für den Weg rein könnte ich Hilfe brauchen. Dann geht’s leiser.«
Alle drei blickten mich an, bevor ich mich freiwillig melden konnte. Und so zuckte ich nur mit den Schultern. »Also los.«
Wir stiegen über den Zaun und zwängten uns mit geschlossenen Augen durch die dichte Hecke dahinter, die Hände schützend vors Gesicht erhoben. Dabei zerkratzte ich mir die Arme und Waden. Das Grundstück war doppelt so groß wie im Siedlungsgebiet üblich, Maiks Vater hatte einfach zwei gekauft und nur das vordere bebaut. Ich wusste nicht, woher er das Geld hatte, ich hatte mal etwas von einem Patent für irgendein medizinisches Gerät gehört. Eine Idee, die aus drei Handgriffen zwei machte und aus einem Mann einen Millionär. Das konnte aber auch Geschwätz sein, ich wusste nicht einmal, was Maiks Vater arbeitete. Vielleicht verdiente das ganze Geld auch seine Mutter, das hätte aber anderes Geschwätz gegeben.
Wie auch immer, das Haus war protzig und besaß eine breite Terrasse und einen überdachten Balkon, der von zwei verzierten Steinsäulen getragen wurde. Auf der Rückseite der Doppelgarage schloss sich ein Swimmingpool an, in dem ein Frisbee trieb. Weiter hinten im Garten, zwischen dem bewachsenen Geräteschuppen und einem Teich, stand die weiße Statue einer halb nackten Frau, die aussah wie eine Göttin aus dem antiken Griechenland. Das kalte Licht einer Straßenlaterne fiel durch die Lücke zwischen zwei Bäumen direkt auf sie, trotzdem konnte ich nicht erkennen, ob das Weiß Gips oder Marmor war.
Bestimmt Marmor , dachte ich, hier wurde nicht gekleckert, auch wenn eine Kopie immer nur eine Kopie blieb.
Vorne am Haus lag alles im Schatten.
»Wohin?«, raunte ich.
Ein Knurren antwortete.
»Ruhig, Kevin«, sagte Maik, und dann stand ein großer schwarzer Hund direkt vor mir und schob seine Schnauze schnüffelnd zwischen meine Beine. »Das ist ein Freund, klar? Ein Freund.«
Kevin schnüffelte weiter.
»Das ist Kevin. Ich wusste nicht, dass Dad ihn rausgelassen hat.«
»Beißt der?«, fragte ich, obwohl ich mir das bei dem Namen nicht vorstellen konnte. Wenn ich Kev das nächste Mal traf, würde ich ihn fragen, warum er einen Hundenamen trug.
»Nein«, flüsterte Maik, wie das jeder über seinen Hund sagte. »Streich ihm über den Kopf, dann weiß er, dass du ein Freund bist.«
Das Fell war rau, ich spürte, wie ein paar Härchen an meiner Handfläche kleben blieben. Kevin hörte auf zu schnuppern und stierte mich an. Kurz schimmerten seine Augen, doch ich wusste nicht, ob es am Mond oder der Straßenlaterne lag.
»Ja, bist ein ganz ein blöder Scheißer«, flüsterte ich freundlich. Das machte ich immer so, Hunde verstanden den Unterschied zu dem ewigen ein ganz ein Feiner eh nicht, und ich dachte, ein wenig Abwechslung wäre schön. Wichtig war ja nur der Tonfall.
Maik unterdrückte ein Lachen, Kevin ließ sich streicheln und drückte mir die Schnauze wieder zwischen die Beine. Das schien ebenso freundlich gemeint zu sein wie mein blöder Scheißer , wir verstanden uns also.
»Ach ja, der kleine Peter von nebenan hat mal behauptet, Kevin hätte ihn gebissen«, sagte Maik. »Aber der lügt ständig. Vor einem pechschwarzen Schäfer haben die Leute immer Angst.«
Kevin hob den Kopf und leckte mir die Hand, als wollte er zeigen, dass alles nur Verleumdung war.
»Das reicht.« Maik zog mich zum Balkon hinüber. Dort stellte er mich mit dem Rücken zum Pfeiler auf. An ihm rankte sich Wein nach oben, ein Blatt kitzelte mich am Ohr, bis ich es fortschüttelte. »Mach mal Räuberleiter.«
Ich verschränkte die Hände vor meinem Bauch, und Maik setzte den Fuß darauf, drückte sich vom Boden ab und stieg weiter auf meine Schulter, die Kante der Sohle schnitt in meinen Hals. Das Blatt kitzelte mich wieder. Maik suchte irgendwo über mir
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