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Vier Beutel Asche: Roman (German Edition)

Vier Beutel Asche: Roman (German Edition)

Titel: Vier Beutel Asche: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris Koch
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ausgegraben hatten, konnten wir natürlich nicht, trotzdem nagte es.
    Oder konnten wir?
    »Weiß jemand, wie hoch die Strafe auf Leichenraub ist?«, fragte ich, als wir auf dem kleinen Parkplatz neben der Tankstelle hielten. »Und gilt Asche eigentlich auch als Leiche?«
    »Warum sollte sie das nicht?«
    »Ich weiß es nicht. Wegen dem Gesundheitsamt vielleicht. Asche ist weniger gefährlich, da gibt es kein Leichengift und so.«
    Auch wenn das allen einleuchtete, konnte niemand die Fragen beantworten. Es gab zu viele Regeln und Gesetze, um alle zu kennen. Wer weiß denn schon auswendig, wie lange ein Hund am Stück bellen darf? Auf keinen Fall weiß es der Hund. Er überlegt nicht, wie lange er darf, sondern bellt, wann und so lange es nötig ist.
    Ebenso hatten wir nicht nachgedacht, sondern gehandelt. Instinktiv. Was hätten wir auch sonst tun sollen? Die Strafe nachschlagen und als eine Art Ausgabe betrachten? Erstehe letzten Wunsch des besten Freundes für x Monate Haft oder y Tagessätze Geld, Eintrag ins polizeiliche Führungszeugnis inklusive. Bezahle jetzt und handle Preis später mit guter Führung runter?
    »Ich klär das jetzt auch«, sagte Maik unvermittelt, als hätte er meine Gedanken gelesen, und schrieb seinen Eltern eine SMS: Bin in FRA, komme in ein paar Tagen wieder. Alles gut, viel Sonne.
    Sie antworteten nicht.
    »Wahrscheinlich liegt das Handy irgendwo rum, und sie haben’s nicht gehört.«
    Ich schrieb meinen Eltern nicht. Ich wollte nicht, dass sie ihren Urlaub abbrachen oder ihre Sorgen an Pia ausließen. Pia hatte glücklich geklungen und gesagt, ich solle nicht ausziehen.
    Wir sahen uns um. Der Asphalt war alt, hell und brüchig, die weißen Trennlinien zwischen den Stellplätzen neu, sie leuchteten in der Sonne. Lediglich zwei verlassene Autos standen hier, eines wohl schon seit Jahren, angerostet, staubig und mit einer Delle in der Kühlerhaube. Vielleicht wartete es darauf, dass der Halter genug Geld zusammenkratzen konnte, um es in die Werkstatt neben der Tanke zu schieben. Ein altes, verdrecktes Nummernschild hatte es erstaunlicherweise noch; es begann mit der 666. Wenn das das Fahrzeug des Antichristen sein sollte, würde die Apokalypse nicht so bald kommen, dann steckte sie hier fest. Das Kaff hatte einen Kirchturm und einen Schornstein, beide waren alt und der Schornstein höher.
    Junge Birken umsäumten den Parkplatz, durch das Laub konnte man ein Stück außerhalb der Stadt einen Kreisverkehr erkennen. Ein grüner Wegweiser zeigte an, dass es zu irgendeiner Autobahn ging.
    Die Tankstelle gehörte zu keinem Konzern, über dem Eingang des kleinen Shops stand in hellblauen Buchstaben Blanc , der Verputz war rissig. Es gab acht Zapfsäulen. Von den Stahlträgern, die das Dach darüber hielten, blätterte an einigen Stellen die Farbe ab. Die automatische gläserne Schiebetür zum Shop schien das Modernste zu sein. Das Benzin war fünf oder sechs Cent billiger als an der letzten Tanke, Diesel sogar sieben.
    Keiner von uns hatte je zuvor Benzin gestohlen, man konnte es nicht einfach im Laden in die Tasche oder unter das Shirt stecken. Und mit einem Roller mit 50 km/h Höchstgeschwindigkeit konnte man nicht einfach tanken und durchbrennen. Schon gar nicht mit einem, der überall auffiel.
    »Wir könnten ihn umspritzen«, schlug Selina vor. »Ganz schwarz.«
    »Das macht ihn auch nicht schneller«, sagte Maik. »Ihr Mädels könntet aber den Tankwart ablenken, das klappt in Filmen immer.«
    »Hinter der Kasse steht eine Frau.« Lena hob die Braue. »Wäre also euer Job.«
    »Und wenn sie lesbisch ist?«
    »Soll ich kurz fragen? Ist bestimmt total unauffällig. So mit Händen und Gesten, weil ich das französische Wort dafür nicht kenne.«
    »Macht das doch zusammen, dann wird’s deutlicher«, schlug Maik vor.
    »Nehmt das mal ernst«, forderte ich, aber weiter wusste ich auch nicht. Ich wusste nicht einmal, was wir tanken mussten.
    »Super«, sagte Lena.
    »Super plus«, sagte Maik. »Aber super geht auch.«
    Ich blickte in die Tankstelle hinein, die Frau blickte heraus. Sie hatte uns im Blick. Natürlich, wir waren jung und fremd und auf wenig vertrauenerweckenden Maschinen unterwegs.
    Maik fand, je älter die Tankstelle, desto besser, weil da wahrscheinlich auch die Überwachung schlechter war. »Ich sehe keine Kameras.«
    »Und ich trau ihr eine abgesägte Schrotflinte unter der Ladentheke zu.«
    Die Frau glotzte weiter misstrauisch.
    »Sollen wir vielleicht besser versuchen,

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