Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Vier Beutel Asche: Roman (German Edition)

Vier Beutel Asche: Roman (German Edition)

Titel: Vier Beutel Asche: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris Koch
Vom Netzwerk:
irgendwo was aus einem Tank abzusaugen?«, fragte ich.
    »Wenn du das Schloss am Tankdeckel knacken kannst«, sagte Maik. »Möglichst unauffällig bei Tageslicht. Wir haben nicht genug Sprit, um irgendwo im Wald ein geparktes Auto zu suchen.«
    »Mann, stehlen ist scheiße.« Ich trat gegen den Bordstein. »Wenn man’s nicht richtig kann.«
    »Wir können meine Pistole nehmen …«
    »Spinnst du?«
    »Hey! Nur Spaß.« Abwehrend hob Maik die Hände. »Das war nur Spaß.«
    Ein Spaß, den er schon zum zweiten Mal gebracht hatte. Und die Apfelbutzen hatte er ganz souverän vom Felsblock gemäht, so als würde er regelmäßig schießen.
    Wir aßen demonstrativ ein paar Gummibären und tranken Wasser, um der Tankstellenbesitzerin zu zeigen, dass wir harmlos waren, nur ein paar Reisende, die Pause machten. Maik holte das Luftdruckmessgerät und winkte der Frau hinter der Scheibe zu. Sie nickte missmutig. Er schraubte die Ventilkappen ab und maß, alles eine große Show der Normalität.
    Ich dachte an meinen Vater. Es ist Zeit, zur Normalität zurückzukehren. Vielleicht war Normalität immer nur eine Show für andere, die uns beim Leben zusahen.
    Ein Sportwagen preschte heran, und ein Mann um die fünfzig mit Sonnenbrille stieg aus. Das fliederfarbene Hemd spannte über dem Bäuchlein, die drei oberen Knöpfe waren geöffnet, das Brusthaar grau. Ohne ein Wort lief Lena zu ihm hinüber und quatschte ihn voll.
    »Was macht sie da?«, fragte Selina.
    »Keine Ahnung«, murmelte ich. »Der Typ sieht irgendwie widerlich aus.«
    Lena lächelte und laberte, irgendwann zeigte sie auf uns und warf die Hände in die Höhe, während der Mann lässig dastand, den Schlauch in seinen Tank hielt und ihr immer wieder auf die Brüste starrte. Auf die Entfernung hatte ich das Gefühl, das Top wäre weiter ausgeschnitten als noch vorhin oder nach vorne gerutscht. Die Strumpfhose hatte sie noch immer nicht wieder angezogen, und den Kopf hielt sie leicht schief. Als der Mann fertig getankt hatte, gab er ihr etwas aus seinem Geldbeutel, bevor er bezahlen ging. Lena lachte, nickte dankbar und sagte etwas. Fast erwartete ich, sie würde einen Knicks machen.
    Als sie wieder bei uns war, sagte sie: »Zwei Euro.«
    »Wie hast du das gemacht?«
    »Ich hab ihm gesagt, dass wir verzweifelt sind, weil wir nicht mehr heimkommen. Dass unsere Karten im Ausland nicht genommen werden und wir kein Bargeld mehr haben, weil wir bestohlen worden sind.«
    »Das hat er geglaubt?«
    »Zumindest mochte er meine Titten. Darauf kam es wohl eher an.«
    Selina schnaubte, Maik grinste, und wir hatten unseren Plan. Einfach schnorren. So simpel, dass wir da schon früher hätten draufkommen können.
    Weil Lena den kurzen Rock und den tieferen Ausschnitt hatte, schnorrte sie. Kamen zwei Autos zugleich, half Selina ihr, aber ihr fiel es sichtlich schwerer. Manchmal bekam sie von mütterlichen Frauen Geld, öfter jedoch eine Abfuhr.
    Auch Lena war nicht immer erfolgreich, aber sie brachte die meisten Männer zum Lächeln, manche zum Glotzen, und die Frauen dazu, in ihr ein naives, freundliches Mädchen zu sehen, das sich tapfer gegen das Pech wehrte, während die Jungs – Maik und ich – mal wieder keinen Finger rührten.
    Ich war fasziniert und fragte mich, ob ich ihr auch nur so auf den Leim ging wie die alten Säcke. Wo hatte sie gelernt, Männer so um den Finger zu wickeln? Ganz anders als auf dem Pausenhof.
    Nein , sagte ich mir. Ich ging ihr nicht auf den Leim, ich hatte ihre Trauer um Christoph gesehen, ihre Entschlossenheit beim Schießen und die Schwankungen zwischen Wut und Aufgeben beim Gespräch mit ihrer Mutter, ihre wahren Gesichter, nicht die lächelnde Maske. Wenn ich nicht bald erfuhr, ob sie was mit Christoph gehabt hatte, würde ich noch wahnsinnig werden.
    Würdest du sie von der Bettkante stoßen?
    Nein.
    Warum also hätte Christoph sollen?
    Maik nickte lächelnd, während er Lena beim Schnorren beobachtete, und Selina presste die Lippen fest zusammen. Sie ertrug es nicht, dass sie gegen Lenas Charme verlor, auch wenn es nur bei Fremden war. Und dann wurde mir klar, dass es nicht darum ging. Bei jedem, der Lena in den Ausschnitt linste, fragte sie sich, ob Christoph das auch getan hatte. Ob sie da auch verloren hatte.
    Auch ich versuchte mein Glück, aber ich kam nicht weit. Die Heteromänner hatten nichts zu glotzen, und die Frauen hatten mit Mädchen mehr Mitleid als mit Jungs. Maik sprach zu wenig Französisch und blieb immer bei den

Weitere Kostenlose Bücher