Vier Frauen und ein Mord
Sweetiman, »das wäre nicht das erste Mal, dass die Polizei den Falschen erwischt hat – obgleich ich nicht sagen würde, dass es hier der Fall ist. Ich hätte es ihm allerdings nicht wirklich zugetraut. Ein schüchterner, unbeholfener Bursche, aber nicht gefährlich, sollte man meinen. Aber man weiß ja nie, nicht wahr?«
Poirot erkundigte sich nach Briefpapier.
»Natürlich, Sir. Kommen Sie doch bitte mit auf die andere Seite.«
Mrs Sweetiman beeilte sich, ihren Platz hinter der linken Seite der Theke einzunehmen.
»Man kann sich bloß schwer vorstellen, wer’s gewesen sein sollte, wenn’s nicht Mr Bentley war«, bemerkte sie, während sie sich nach dem oberen Bord reckte, um Briefpapier und Umschläge herunterzuholen. »Hier treiben sich manchmal üble Typen rum, und es ist möglich, dass einer von denen ein Fenster offen fand und eingestiegen ist. Aber der würde doch nicht weggehen und das Geld zurücklassen, nicht wahr? Nicht, nachdem er gemordet hat, um es zu bekommen. – Hier, Sir, da haben wir hübsches blaues Schreibpapier mit passenden Umschlägen.«
Poirot kaufte es.
»Mrs McGinty hat nie gesagt, dass jemand sie beunruhigte oder ängstigte, nicht wahr?«, fragte er.
»Nicht zu mir, nein. Sie war keine ängstliche Frau. Sie ist manchmal bis spät in die Nacht bei den Carpenters geblieben, das ist in Holmesleigh, oben auf dem Hügel. Die haben oft Leute zum Abendessen, und Mrs McGinty ging dann manchmal hinauf, um beim Geschirrspülen zu helfen, und dann kam sie im Dunkeln wieder den Hügel herab, und das ist mehr, als ich tun möchte. Sehr dunkel ist’s, wenn man den Hügel herabkommt.«
»Kennen Sie eigentlich ihre Nichte, Mrs Burch?«
»Ja, flüchtig. Sie und ihr Mann kommen manchmal her.«
»Die haben ein bisschen Geld geerbt, als Mrs McGinty starb?«
Die durchdringenden Augen sahen ihn streng an.
»Nun, das ist wohl natürlich, nicht wahr? Mitnehmen kann man es ja nicht, und es ist nur recht, wenn das eigene Fleisch und Blut es bekommt.«
»O ja, o ja. Da bin ich ganz Ihrer Meinung. Hatte Mrs McGinty ihre Nichte gern?«
»Sehr gern, glaube ich, Sir. So auf ihre ruhige Art.«
»Und den Mann ihrer Nichte?«
Mrs Sweetimans Gesicht trug plötzlich einen Ausdruck, als wollte sie der Antwort ausweichen.
»Soviel ich weiß, ja.«
»Wann haben Sie Mrs McGinty zum letzten Mal gesehen?«
»Lassen Sie mich nachdenken… Wann war das, Edna?«
Edna, die in der Tür stand, schnüffelte bloß. »War es am Tag, als sie starb? Nein, es war am Tag zuvor – oder noch einen Tag eher! Ja, es war am Montag. Genau – sie ist am Mittwoch getötet worden. Ja, es war Montag. Sie kam her, um eine Flasche Tinte zu kaufen.«
»Eine Flasche Tinte?«
»Wollte wohl einen Brief schreiben«, erklärte Mrs Sweetiman freundlich.
»Möglich. Und da war sie ganz wie sonst? Nicht irgendwie anders?«
»N-ein, ich glaube nicht.«
Die schnüffelnde Edna schlurfte in den Laden und mischte sich plötzlich ins Gespräch.
»Sie war anders«, behauptete sie. »Über etwas erfreut. Nun, nicht eigentlich erfreut – erregt.«
»Vielleicht hast du Recht«, räumte Mrs Sweetiman ein. »Nicht, dass ich es damals bemerkt hätte. Aber jetzt, wo du es sagst – ich würde meinen, sie war aufgeregt.«
»Erinnern Sie sich an etwas, das sie an jenem Tag sagte?«
»Normalerweise hätte ich mich nicht erinnert. Aber weil sie ermordet wurde und die Polizei kam und all das, da erinnert man sich natürlich an diese Dinge. Sie sagte nichts über James Bentley, das weiß ich bestimmt. Sie sprach ein bisschen über die Carpenters und Mrs Upward – über Leute, für die sie arbeitete, wissen Sie.«
»Ach, ich wollte Sie noch fragen, für wen sie hier gearbeitet hat.«
Mrs Sweetiman antwortete sofort:
»Montag und Donnerstag ging sie zu Mrs Summerhayes in Long Meadows. Dort wohnen Sie doch, nicht wahr?«
»Ja«, bestätigte Poirot seufzend. »Ich glaube, man kann hier sonst nirgends wohnen?«
»Nicht in Broadhinny selbst, nein. Ich glaube, Sie haben’s in Long Meadows nicht sehr behaglich? Mrs Summerhayes ist sehr nett, aber sie hat keine Ahnung vom Haushalt. Das haben diese Damen nie, die aus dem Ausland kommen. Ja, am Montagnachmittag und Donnerstagmorgen Mrs Summerhayes, dann Dienstagmorgen bei Dr. Rendell und am Nachmittag bei Mrs Upward. Mittwoch war sie bei Mrs Wetherby und Freitag bei Mrs Selkirk – jetzt ist sie Mrs Carpenter. Mrs Upward ist eine ältere Dame, die mit ihrem Sohn zusammenwohnt. Sie haben eine
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