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Vier Frauen und ein Mord

Vier Frauen und ein Mord

Titel: Vier Frauen und ein Mord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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er jemals über seine Wirtin gesprochen?«
    Sie erschauerte ein wenig.
    »Nicht mit Namen. Einmal sagte er, dass sie ihm viel zu oft Heringe serviere – und einmal erzählte er, sie sei ganz aufgeregt gewesen, da ihre Katze weggelaufen sei.«
    »Hat er jemals – bitte, seien Sie aufrichtig – hat er jemals erwähnt, dass er wusste, wo sie ihr Geld aufbewahrte?«
    Das Mädchen wurde ein wenig blass, aber es streckte herausfordernd sein Kinn vor.
    »Jawohl, das hat er. Wir sprachen über Leute, die den Banken misstrauten – und er sagte, seine alte Wirtin bewahre ihr Erspartes unter einem Fußbodenbrett auf. Er sagte: ›Ich könnte es jederzeit nehmen, wenn sie außer Haus ist.‹ Nicht eigentlich als Witz, er machte keine Witze, sondern eher, als wäre er über ihren Mangel an Vorsicht wirklich besorgt.«
    »Ach«, meinte Poirot. »Das ist gut. Von meinem Standpunkt aus, will ich sagen. Wenn James Bentley an Diebstahl denkt, dann erscheint ihm der als eine Tat, die man hinter jemandes Rücken begeht. Sehen Sie, er hätte auch sagen können: ›Eines Tages wird jemand ihr deshalb den Schädel einschlagen.‹«
    »Aber was immer er gesagt hätte, er hätte es nicht ernst gemeint.«
    »O nein. Aber ein Gespräch, wie nebensächlich es sein mag, verrät unweigerlich, was für ein Mensch man ist. Der weise Verbrecher würde nie den Mund aufmachen, aber Verbrecher sind selten weise und gewöhnlich eitel und schwatzen sehr viel – und daher werden die meisten Verbrecher gefangen.«
    Maude Williams sagte plötzlich:
    »Aber jemand muss die Alte doch getötet haben.«
    »Natürlich.«
    »Wer hat es getan? Wissen Sie es? Haben Sie eine Ahnung?«
    »Ja«, log Hercule Poirot. »Ich glaube, ich habe eine recht gute Ahnung. Aber wir stehen erst am Anfang unseres Weges.«
    Das Mädchen blickte auf die Uhr.
    »Ich muss zurückgehen. Wir sollen nur eine halbe Stunde Tischzeit nehmen. Ein grässliches Nest, dieses Kilchester. Ich habe früher immer Stellungen in London gehabt. Werden Sie mich verständigen, wenn ich etwas tun kann – ich meine, wirklich etwas tun kann?«
    Poirot zog eine Visitenkarte aus der Tasche. Darauf schrieb er »Long Meadows« und die Telefonnummer.
    »Da wohne ich.«
    Sein Name machte, wie er kummervoll bemerkte, keinen besonderen Eindruck auf sie. Er konnte nicht umhin zu empfinden, dass die jüngere Generation einen auffälligen Mangel an Kenntnis wahrer Berühmtheiten bewies.
     
    Als Hercule Poirot mit dem Autobus nach Broadhinny zurückfuhr, war er ein wenig zuversichtlicher. Wenigstens eine Person teilte seinen Glauben an James Bentleys Unschuld. Bentley war nicht so ohne Freunde, wie er es sich vorstellte.
    Wieder dachte er an Bentley im Gefängnis. Was für ein enttäuschendes Gespräch war das gewesen. Er hatte keine Hoffnung erwecken können. Er hatte kaum sein Interesse erregt.
    »Danke«, hatte Bentley stumpf gesagt. »Aber ich glaube, da kann man gar nichts mehr machen.«
    Nein, er war sicher, dass er keine Feinde hatte.
    »Wenn Leute kaum zur Kenntnis nehmen, dass man lebt, dann hat man keine Feinde.«
    »Ihre Mutter? Hatte sie einen Feind?«
    »Gewiss nicht. Die hat jeder gern gehabt und geachtet.«
    »Was ist mit Ihren Freunden?«
    Und James Bentley hatte gesagt, oder eigentlich gebrummt: »Ich habe keine Freunde…«
    Aber das hatte nicht ganz gestimmt. Denn Maude Williams war eine Freundin.
    Welch wunderbare Einrichtung der Natur, dachte Hercule Poirot, dass jeder Mann, und sei er äußerlich noch so wenig anziehend, irgendeiner Frau gefällt.
    Trotz dem aufreizenden Äußeren von Miss Williams hegte Poirot den Verdacht, dass sie in Wirklichkeit sehr mütterlich war.
    Sie hatte das, was James Bentley fehlte. Die Energie, die Willenskraft, die Weigerung, sich geschlagen zu geben, die Entschlossenheit, Erfolg zu haben.
    Er seufzte.
    Welch grässliche Lügen hatte er an diesem Tag doch erzählt. Na, egal – sie waren notwendig.

7
     
    D as Häuschen, das Mrs McGinty bewohnt hatte, lag nur wenige Schritte von der Bushaltestelle entfernt.
    Zwei Kinder spielten auf der Türschwelle.
    Eine Frau schaute um die Hausecke. Sie trug eine bunte Schürze, und ihr Haar war unordentlich.
    Poirot ging von der Schwelle zur Hausecke und wurde rund ums Haus zur Hintertür geführt.
    »Ich hab die Vordertür immer verschlossen, Sir. Kommen Sie doch herein.«
    Poirot ging durch eine sehr schmutzige Spülküche in eine fast noch schmutzigere Küche.
    »Sie ist nicht hier getötet worden«, sagte die Frau.

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